Warum wir wach­sende Städte als attraktiv empfinden

Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg” — Laozi.

Deutsch­lands Bevöl­ke­rungs­zahl wird in Zukunft stetig sinken — obwohl die Gesamt­be­völ­ke­rung unserer Welt stetig steigt. In Deutsch­land werden auch in Zukunft die regio­nalen Unter­schiede deut­li­cher werden. Tenden­ziell findet eine Wande­rung vom Land in die Städte statt. Aber warum ist das so? Warum zieht es uns Menschen in die Städte? Und warum zieht es uns gerade in die wach­senden Städte?

In diesem Artikel erfährst Du, warum Menschen gaffen, warum wir beim Blick in einen Kinder­wagen immer die glei­chen Fragen stellen und wie wir bei der Wohn­ort­wahl von unserem Unter­be­wusst­sein beein­flusst werden. Außerdem machen wir einen Besuch in der Lego-Ecke im Kindergarten.

 

Beginnen wir mit Unschuld

Ein gesundes Kind — nennen wir es Torben — wächst und gedeiht, wird stärker, wird selbst­stän­diger und krisen­re­sis­tenter, sodass es eines Tages nach der Pubertät selber in der Lage sein wird die Mensch­heit mit Nach­kommen zu versorgen. Seine Mutter muss sich in diesem Fall keine Sorgen um ihren Jungen machen. Ist der kleine Torben jedoch nicht gesund wird das schnell von anderen Menschen (vor allem Frauen) bemerkt. Dieses wird deut­lich wenn andere Mütter (aber auch Väter) in fremde Kinder­wagen schauen.

Jeder kennt dieses Phänomen: Nach dem anfäng­li­chen “Oh ist der aber süß” folgen direkt Fragen wie

Kann er denn schon krabbeln/laufen/“Mama” sagen? Kommen denn schon die Milchzähne?”

Warum diese Fragen? Small­talk? Wohl kaum!

Unter­be­wusst wird der Gesund­heits­zu­stand von dem Kind abge­fragt. Wenn die betref­fenden Kinder­wagen-Betrachter selber ein Kind haben dann wollen sie insge­heim ihr Kind mit dem anderen Kind verglei­chen. Wenn das eine Kind in seiner Entwick­lung zurück­hängt und somit vermeint­lich nicht gesund ist versu­chen die Eltern des anderen Kindes daraus Infor­ma­tionen für eine bessere Entwick­lung und Zukunft ihres eigenen Kindes zu gewinnen.

Dabei handelt es sich nicht um Boshaf­tig­keit oder Miss­gunst, sondern um einen Prozess der unter­be­wusst abläuft. Die Eltern möchten die Sicher­heit haben, dass sich ihr Kind gut entwi­ckelt und dass es einer gesunden Zukunft entgegenschaut.

 

Reden wir über unschönes

Auch in anderen Berei­chen des Lebens können wir das Wirken des Unter­be­wusst­seins und dem Drang nach Sicher­heit beob­achten. Zum Beispiel beim Gaffen bei einem Auto­un­fall. Meiner Meinung nach gaffen Menschen nicht aus Lange­weile oder Sensa­ti­ons­geil­heit. Nein, sie ziehen unter­be­wusst aus dem Geschehnis Rück­schlüsse und Erkennt­nisse für ihr eigenes zukünf­tiges Über­leben. Sie möchten also durch das Betrachten und Lernen ihr eigenes Über­leben sichern und somit die Fort­pflan­zungs­wahr­schein­lich­keit in der Zukunft verbessern.

Zum Thema Gaffen möchte ich an dieser Stelle noch etwas loswerden: Ich finde es besorg­nis­er­re­gend, wie sich das Gaffen in den letzten Jahren verselbst­stän­digt hat. Anstatt das Smart­phone zum filmen zu zücken wird bitte­schön Erste Hilfe geleistet! Das gebietet der gesunde Menschen­ver­stand — und natür­lich auch das Gesetz. Wer nicht hilft macht sich strafbar! Ende der Durchsage. 

Was hat nun das Beispiel des aufwach­senden Kindes mit dem Beispiel des Gaffens gemeinsam? Nun, es geht um zwei Schlag­worte: Das Unter­be­wusst­sein und posi­tive zukünf­tige Entwick­lung. Jetzt fragst Du dich zurecht: “Und wo kommt jetzt die Wohn­ort­wahl ins Spiel?

 

Eins nach dem anderen

Ameri­ka­ni­sche Forscher haben in einer Studie einen Zusam­men­hang zwischen Zufrie­den­heit und Bevöl­ke­rungs­wachstum fest­ge­stellt. Regionen in denen die Bewohner zufrieden sind wachsen schneller. Und zwar nicht weil die Gebur­ten­rate so hoch bezie­hungs­weise die Ster­be­rate so niedrig ist, sondern weil viele Menschen hinzu­ziehen. Das Stich­wort lautet also Migra­tion.

Unklar ist den Forschern aller­dings der Grund. Entweder zögen Menschen in diese Regionen, weil es dort Faktoren gibt die auch die Zufrie­den­heit der bereits dort lebenden Bewohner auslösen oder die Menschen zögen in diese Regionen weil diese schlichtweg wachsen und somit als attraktiv empfunden werden.

Mir sind dazu auch keine weiteren Forschungs­er­geb­nisse oder Studien bekannt aber ich bin Verfechter der zweiten Annahme. Meiner Meinung nach ziehen Menschen in bestimmte Regionen oder Städte, weil sie diese wegen dem Wachstum als attraktiv empfinden. Ich denke, dass es weniger eine logi­sche, sondern eher eine intui­tive Entschei­dung ist. Denn um was geht es allen Menschen im Leben? Wir wollen uns lebendig fühlen und jeder möchte auf seine Art und Weise erfolg­reich sein.

Wach­sende Städte bieten dafür die besten Chancen. Das liegt daran, dass diese uns in Zukunft Sicher­heit und somit eine erfolg­reiche Fort­pflan­zung bezie­hungs­weise gute Bedin­gungen zum Groß­ziehen unserer Kinder verspre­chen. Wachstum ist eben ein Ausdruck von Erfolg.

Die in den Beispielen oben erwähnte unter­be­wusste Zukunfts­ori­en­tie­rung zeigt sich bei uns Menschen also auch bei der Wohn­ort­suche. Doch Vorsicht! Es ist nicht immer alles Gold was glänzt. Das Unter­be­wusst­sein führt uns manchmal an der Nase herum. Dazu drei simple urbane Beispiele:

 

1) Der Stra­ßen­künstler in der Fußgängerzone

Wenn ein Stra­ßen­mu­siker oder Künstler in einer Fußgän­ger­zone auftritt und sich noch keine Gruppe um ihn versam­melt hat laufen die meisten Passanten einfach vorbei. Hat sich aber eine große Menge an Zuhö­rern oder Zuschauern gesam­melt kommen auch immer mehr andere neugie­rige Passanten hinzu. Und zwar nicht weil der Künstler so über­ra­gend gut ist, sondern einfach weil es den Anschein hat, dass er erfolg­reich ist.

 

2) Der Run auf die reno­vierten Gründerzeitgebäude

Das Phänomen lässt sich auch auf Gentri­fi­zie­rung über­tragen. Je mehr Bewohner in ein attrak­tive Viertel ziehen desto mehr andere Menschen wollen eben­falls dorthin ziehen. Das nutzen die Vermieter natür­lich aus. Sie wissen, dass man die Schmerz­grenze ausreizen kann, wenn es um das Grund­be­dürfnis Wohnen geht. Die Miet­preise explo­dieren. Nicht unbe­dingt weil die Qualität der Gebäude oder des Umfelds so über­ra­gend gut ist, sondern schlicht weil es ange­sagt ist dorthin zu ziehen. Man spricht von Szene­vier­teln. Würde man die neuen Bewohner fragen warum sie dorthin gezogen sind würde man vermut­lich keine logi­sche Antwort bekommen.

Es ist wie eine Art Raff­gier. Wie der kleine Torben, der mitt­ler­weile in der Lego-Ecke im Kinder­garten sein Unwesen treibt. Er schreit: “Ich habe den einen seltenen schwarzen Lego­stein den jeder so toll findet!” Dass der kleine Kinder­garten-Gollum gerade eigent­lich dabei war ein weißes Lego­haus zu bauen ist ihm komi­scher­weise dabei egal. Das Unter­be­wusst­sein triumphiert.

 

3) Die Green­card für die USA

Immer noch wollen viele Menschen in die USA auswan­dern. Da viele diesen Wunsch haben, denken wir auto­ma­tisch: “Mensch das muss ja das Para­dies sein, wenn so viele Menschen  da hin wollen.” Aber ist es das? Ich denke kaum. Viele Menschen finden die USA so faszi­nie­rend weil andere Menschen die USA so toll finden. Die USA bezeichnet sich zwar immer (noch) als Welt­macht Nummer 1 aber die Fassade ist mehr als am bröckeln.

Sind beispiels­weise die ameri­ka­ni­schen Städte welt­klasse? Ganz klar nein! So findet sich keine US-Stadt in der Top 10 der lebens­wer­testen Städte. Das unschein­bare Nach­bar­land Kanada ist mit seinen Städten Toronto, Calgary und Vancouver sogar gleich dreimal vertreten. (Laut “The Econo­mist Intel­li­gence Unit’s Livea­bi­lity Index 2017”) Nur fehlt hier eben noch der ganz große inter­na­tio­nale Hype.

 

 

Es geht um Vertrauen

Von wach­senden Städten erwarten wir also, dass unsere Bedürf­nisse mindes­tens ausrei­chend befrie­digt werden. Dazu gehören unter anderem Nahrungs­ver­sor­gung, das Wohnungs­an­gebot, Sicher­heit, Arbeits­plätze, Bildung und Möglich­keiten zur Selbst­ver­wirk­li­chung. Ähnlich wie eine Mutter beru­higt in die Zukunft schauen kann, wenn ihr Kind gesund aufwächst, können wir voller Vertrauen in eine Stadt ziehen, die in Zukunft stabil weiter wachsen wird. Dann brau­chen wir keine Sorgen haben, denn die Stadt ist unser Fels in der Bran­dung. Wir können ihr vertrauen.

 

Noch mal unschönes

Im länd­li­chen Ostdeutsch­land ist das Gegen­teil zu sehen. Dort ziehen seit Jahren die jungen Menschen weg. Der Grund: Sie sehen keine Zukunfts­per­spek­tive und haben kein Vertrauen in die Region. Dafür profi­tieren die Städte: Leipzig, Dresden und weitere ostdeut­sche Städte ziehen viele junge Menschen an. Denn hier ist das Vertrauen in die Zukunft größer. Hier kann man sich nieder­lassen und die Fami­li­en­pla­nung angehen. Auf dem Land hingegen sind die vorhan­denen Struk­turen unat­traktiv. Man nennt es auch einfach “unsexy” nennen. Das wirft im Umkehr­schluss natür­lich die Frage auf, ob eine Stadt oder Region denn sexy sein kann? Dazu hatte ich bereits einen aufklä­renden Artikel geschrieben.

 

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei…

Zu wenig Wachstum, bezie­hungs­weise Schrump­fung ist also nicht gut. Doch wie sieht das andere Ende der Dimen­sion aus? Natür­lich muss auch das Wachstum einer Stadt Grenzen haben. Wenn die Stadt zu schnell wächst treten mehr Nach­teile als Vorteile auf. Genauso wie sich ein Kind nach und nach stetig entwi­ckelt, wächst auch eine Stadt im Ideal­fall stetig aber kontrol­liert. In den inter­na­tio­nalen Mega­ci­ties unserer Zeit werden die Probleme bereits mehr als deut­lich. Eines wird klar: Wachstum ist eben nicht unend­lich. Giga­ci­ties, wie sie uns in Zukunft drohen, werden jeden­falls kaum noch den mensch­li­chen Bedürf­nissen entspre­chen. Keine guten Aussichten für unsere nach­fol­genden Genera­tionen — auch nicht für Torben.

Deine Lektion für die Wohnortwahl

Damit Du die wich­tigsten Infor­ma­tionen auf deine Wohn­ort­suche anwenden kannst möchte ich hier noch die wich­tigsten Punkte zusammenfassen.

  • Wir finden wach­sende Städte attraktiv, weil sie uns Vertrauen geben und uns Leben­dig­keit versprechen.
  • Wach­sende Städte verspre­chen uns Sicher­heit und eine viel­ver­spre­chende Repro­duk­tion (Ich weiß, dass der Satz schwulstig klingt. Du darfst ihn gerne an deinen Wort­ge­brauch anpassen)
  • Unser Unter­be­wusst­sein führt uns manchmal auf die falsche Fährte bezie­hungs­weise besser gesagt in die falsche Stadt. Wir verstehen nicht immer warum wir wie handeln. Das wird beim Blick in den Kinder­wagen oder beim Gaffen auf der Auto­bahn deutlich.

 

Man muss also aufpassen, dass man sich bei der Wohn­ort­wahl nicht von seinem Unter­be­wusst­sein täuschen lässt. Wie geht das? Nun, das klappt, indem man aufmerksam ist und sich mit sich selbst beschäf­tigt. Bist Du dir selbst bewusst? Weißt Du was für dich wichtig ist? Wo fühlst Du dich am besten? Welche Anfor­de­rungen hast Du an Städte, bezie­hungs­weise an poten­ti­elle Wohnorte?

Sharing is caring! Teile deine Gedanken und Gefühle mit deinen Freunden und Bekannten. Denn auf diese Weise errei­chen Wir zusammen die Menschen, die immer noch am falschen Ort ihr Glück erzwingen wollen.

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