6 kogni­tive Verzer­rungen, die uns die Klima­krise unter­schätzen lassen

Meis­tens belehrt uns erst der Verlust über den Wert der Dinge”

- Arthur Scho­pen­hauer.

Die Klima­krise bedroht unsere Zivi­li­sa­tion, und während immer mehr Menschen aufwa­chen ducken sich gleich­zeitig immer noch viele Menschen weg. Seit Jahr­zehnten predigt die Wissen­schaft, dass es ein Weiter so bei unserer Art zu wirt­schaften nicht geben kann. Und trotzdem passiert nicht genug. Wir wissen viel, aber passen wir auch unser Verhalten daran an? Handeln wir? Nicht wirk­lich! Woran liegt das? Ich möchte hier ein paar Erkennt­nisse aus der Psycho­logie teilen, die klar machen, warum wir Menschen scheinbar so schlecht darin sind auf die Bedro­hung der Klima­krise zu reagieren und wie wir es dennoch schaffen können. Hier folgen nun 6 kogni­tive Verzer­rungen, die erklären warum es uns so schwer fällt unser Verhalten an die derzei­tigen Heraus­for­de­rungen anzupassen.

 

 

1) Opti­mis­mus­ver­zer­rung

Wir Menschen tendieren dazu die Zukunft besser zu sehen als sie sein wird.

Wie viele Menschen heiraten und lassen sich wenige Jahre später wieder scheiden? Blicken sozu­sagen zu sehr durch die rosa­rote Brille? Das ist nur ein Beispiel von vielen das uns zeigt: Wir sind ziem­lich schlecht darin einzu­schätzen, wie es uns in Zukunft ergehen wird. Wenn wir uns die Zukunft besser vorstellen als sie sein wird, dann spricht die Psycho­logie von der soge­nannten Opti­mis­mus­ver­zer­rung (Opti­mism bias). Auf die Klima­krise bezogen heißt das: Wir unter­schätzen sie. “Wird schon nicht so schlimm”. “Unsere Region wird es schon nicht treffen”. “Die nächste Über­schwem­mung wird woan­ders zuschlagen”. “Es wird erst die nächste Genera­tion betreffen”. Und so weiter. Der Plakat­spruch “Die Dino­sau­rier dachten auch sie hätten noch Zeit” versinn­bil­dicht die Opti­mis­mus­ver­zer­rung beson­ders eindrücklich.

Opti­mismus ist gut, keine Frage. Aber wir sind gut beraten die Klima­krise realis­tisch einzu­schätzen und vor allem sollten wir auf die Wissen­schaft hören. Und die warnt seit Jahr­zehnten eindring­lich. Wir müssen handeln!

Foto © picture alli­ance / xim.gs

 

 

2) Die Autoritätsfalle

Wir sind anfällig für Meinungen von Auto­ri­täts­per­sonen.

Hast du dich schon mal gefragt, warum es immer noch Menschen gibt, die den menschen­ge­machten Klima­wandel leugnen? Diese Menschen berufen sich oft auf angeb­liche Exper­tinnen & Experten bezie­hungs­weise Poli­ti­ke­rinnen & Poli­tiker. Was Diese von sich geben wird befolgt — egal ob es abstrus oder sogar menschen­ver­ach­tend ist. Ein Beispiel so einer Auto­ri­täts­person ist Donald Trump. Beson­ders in den USA zeigen sich gravie­rende Folgen. Beispiels­weise denken die Menschen dort fälsch­li­cher­weise, dass sich nur 55% der Klima­wis­sen­schaft­le­rinnen & Klima­wis­sen­schaftler einig sind, dass die Klima­krise menschen­ge­macht ist. In Wirk­lich­keit ist sich die Wissen­schaft aber zu mindes­tens 97% einig! Aber wegen der Desin­for­ma­tion durch einige wenige Auto­ri­täten schafft es die Wissen­schaft immer noch manchmal nur sehr mühsam in die Köpfe der Menschen.

Es ist wichtig mündig zu sein und Infor­ma­tionen zu hinter­fragen. Egal von wem die Infor­ma­tionen kommen. Menschen in hohen Posi­tionen können viel erzählen. Ob es stimmt ist aber eine andere Sache. Medi­en­kom­pe­tent zu sein bedeutet Desin­for­ma­tion zu durch­schauen! Dazu gehört vor allem die Stra­te­gien der Klima­wan­del­skep­ti­ke­rinnen & Klima­wan­del­skep­tiker zu entlarven!

 

 

3) Bestä­ti­gungs­fehler

Wir inter­pre­tieren Infor­ma­tionen so, wie sie zu unseren Über­zeu­gungen und Einstel­lungen passen.

Wir schaffen uns unsere eigene Filter­blase. Das macht das Leben einfa­cher, aber es ist gleich­zeitig gefähr­lich. Menschen, die der Meinung sind, dass es keinen menschen­ge­machten Klima­wandel gibt picken sich beispiels­weise die Infor­ma­tionen heraus, die zu genau dieser Meinung passen. Typisch für den Bestä­ti­gungs­fehler ist, dass gegen­sätz­liche Infor­ma­tionen gemieden werden. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass Menschen, die den menschen­ge­machten Klima­wandel leugnen sich auf bestimmten unse­riösen Seiten im Internet tummeln. Denn dort finden sie die Bestä­ti­gung, mit der sie ihr Welt­bild weiter verfes­tigen können. Inter­es­sant übri­gens: Wenn sie im Internet mit Fakten konfron­tiert werden, die ihr Welt­bild ins Wanken bringen, dann reagieren sie oft mit hämi­schen Lach-Emojis. Indem sie ihren “Gegner” abwerten erscheint das bedroh­liche Argu­ment für sie weniger rele­vant zu sein. 

Es ist wichtig offen gegen­über gegen­sätz­li­chen Meinungen zu sein. Was man dabei lernt ist hilf­reich, um einen neuen, mögli­cher­weise realis­ti­scheren Blick auf die Dinge zu kriegen. Klar, das kann das eigene Welt­bild zum Einstürzen bringen. Aber das ist immer noch besser als jahre­lang einem Irrtum hinterher zu rennen.

 

 

4) Sunk-Cost-Fehler

Wir halten unnötig lange an Dingen fest, in die wir bereits viel Zeit, Geld oder Gefühle inves­tiert haben. 

Das gilt auch für den Lebens­stil den wir in der west­li­chen Welt pflegen. Wir halten an fossilen Brenn­stoffen, am Auto, den Flug­reisen, am ausufernden Konsum und am Wirt­schafts­wachstum fest, weil wir es nicht anders kennen. Wir haben so viel Zeit und Mühe in dieses System gesteckt dass es völlig zur Norma­lität geworden ist. Gedan­ken­spiel: Wenn unsere Gesell­schaft ein weißes Blatt wäre und wir ledig­lich wüssten, dass unser Planet über endliche Ressourcen verfügt und jemand würde die Idee äußern, dass wir ein Wirt­schafts­mo­dell starten sollten das darauf ausge­richtet ist unend­lich zu wachsen und täglich mehr und mehr Ressourcen zu verwenden… Würden wir dieser Idee zustimmen? Vermut­lich nicht. Das wäre schließ­lich völlig unsinnig. Aber genau in so einem System befinden wir uns. Es ist wie gesagt zur Norma­lität geworden über unsere Verhält­nisse zu leben. Wenn du mal wieder eine Politikerin/ einen Poli­tiker schreien hörst “Klima­schutz darf die Wirt­schaft nicht beein­flussen!”, dann weißt du, dass sie/er vom Sunk Cost Effekt geritten wird.

Die gute Nach­richt ist: Eine lebens­werte, gerechte Zivi­li­sa­tion inner­halb der plane­taren Ressour­cen­grenzen ist möglich. Aller­dings nur wenn wir uns von den fossilen Ener­gien lösen und den Mythos vom unend­li­chen Wirt­schafts­wachstum und dessen Zwänge begraben. Wir haben ein bestimmtes CO2-Budget in dessen Grenzen wir gerecht wirt­schaften können. Und Ziele an die wir uns halten müssen.

 

 

5) Mitläu­fer­ef­fekt

Wir folgen der breiten Masse.

Wunderst du dich auch immer warum so viele Menschen immer noch in den Flieger steigen, ein neues Auto kaufen, Unmengen an Fleisch essen, etc obwohl sie wissen, dass es dem Klima schadet? Einer der Gründe ist sicher­lich der Mitläu­fer­ef­fekt. Viele Menschen verhalten sich klima­schäd­lich, berichten darüber, müssen dabei anschei­nend keine Nach­teile befürchten und somit scheint ihr Verhalten und akzep­tiert und “normal” zu sein. Also fällt es Menschen im Umfeld leicht, mitzumachen.

Um diesen Mitläu­fer­ef­fekt zu durch­bre­chen sollten wir ihn uns aber auch zu nutze machen. Indem wir zum Beispiel darüber berichten, dass immer mehr Menschen Teil der Lösung werden und dass es sich lohnt klima­freund­lich zu leben und dass jeder kleine Erfolg wichtig ist. Wenn man klar­stellt, dass die Mehr­heit hinter einem steht dann fällt es anderen leicht zu folgen. Zum Beispiel so: 

Immer mehr Menschen hinter­fragen ihr Reise‑, Mobilitäts‑, Ess- und Konsum­ver­halten. Machst du mit?

 

 

6) Verlust-Aver­sion

Wir gewichten Verluste höher als Gewinne. 

Warum läuft die Verkehrs­wende so schlep­pend? Warum dauert die Ener­gie­wende so lange? Ein Grund dafür ist sicher­lich Verlust-Aver­sion. Wir fürchten uns mehr davor Kohle­kraft zu verlieren als erneu­er­bare Energie zu gewinnen. Wir halten am Auto fest anstatt die Vorzüge von Rad oder ÖPNV will­kommen zu heißen. Psycho­lo­gi­sche Befunde zeigen, dass sich Menschen mehr über den Verlust von 100€ ärgern als sie sich über den Gewinn von 100€ freuen. Wir krallen uns am Status Quo fest. Das was wir haben wollen wir behalten, Risiko scheuen wir. Durch Framing kann der Effekt aller­dings verän­dert werden. Beispiel: Anstatt zu sagen: “Wir müssen endlich auf Autos verzichten” bietet es sich an “Wir müssen endlich die Vorteile von Radver­kehr ausschöpfen.” zu betonen.

Denn uns muss klar sein: Wenn wir unsere Städte auto­frei gestalten entstehen neben der Klima­freund­lich­keit viele weitere posi­tive Effekte: Wir Menschen bewegen uns mehr, sind gesünder, glück­li­cher, weniger gestresst, sparen viel Geld, usw. Selbst wenn wir nicht auf eine Klima­krise zusteuern würden wäre es also mehr als ange­bracht unsere Städte für Radver­kehr (und Fußläu­fig­keit + ÖPNV) umzugestalten! 

Auf gesell­schaft­li­cher Ebene ist es wichtig durch­zu­rechnen was die Konse­quenzen des zöger­li­chen Verlust­den­kens sind. Je länger wir mit konse­quentem Klima­schutz warten desto schlimmer werden die Folgen. Auch für die Wirt­schaft. Und keine Sorge: Die klima­freund­liche Zukunft birgt viele, viele neue Potentiale.

 

 

Es gibt immer Hoffnung

Die genannten und weitere kogni­tive Verzer­rungen wiegen schwer und führen aktuell noch zu schwer­fäl­liger Untä­tig­keit, aber wir können sie über­winden. Es gibt immer noch Hoff­nung, dass wir die Kurve kriegen und die Klima­schutz­ziele errei­chen. Hoff­nung macht vor allem die immer stärker werdende Klima­schutz­be­we­gung. Deshalb: Hilf mit und sei ein Vorbild für den gesell­schaft­li­chen Wandel! Wenn du noch Wissen brauchst: Berechne deinen C02-Fußab­druck. Denn dabei siehst du in welchen Berei­chen du eigene Ziele setzen und errei­chen kannst. Step by step. Und auch wenn du schon etwas weiter bist: Geh mit auf die Straße — zu den Klimaschutzdemos!

Auch wenn der Spruch mitt­ler­weile ausge­lutscht ist: Be the change you want to see in the world! Setze neue Stan­dards in deinem Umfeld und du wirst sehen, dass dir andere Menschen folgen werden. Denn auch das wurde in der Psycho­logie ausführ­lich unter­sucht: Verhalten von “Minder­heiten” hat in der Tat einen Einfluss auf das Umfeld. Steter Tropfen höhlt den Stein! Und ab einem bestimmten Punkt kommt uns dann der oben genannte Mitläu­fer­ef­fekt zugute! Und zwar im posi­tiven Sinne. Denn Greta Thun­berg hat uns mal wieder gezeigt: Ein einzelner Mensch kann extrem viel bewirken. Und andere Menschen begeis­tern und mitziehen. Auch du!

 

 

Hier findest du Gleich­ge­sinnte in deinem Umfeld: 

Fridays for Future: https://fridaysforfuture.de/regionalgruppen/

Extinc­tion Rebel­lion: https://extinctionrebellion.de/og/

 

 

Quellen:

Hamann, K. et al (2016): Psycho­logie im Umwelt­schutz. Hand­buch zur Förde­rung nach­hal­tigen Handelns.

Kahneman, D & A. Tversky (1979): Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk. In: Econo­metrica. Band 47, S. 263–292.

Niebert, K & A. Geuchen (2018): Verzerrte Welt <https://www.researchgate.net/publication/329428354_Verzerrte_Welt> (Stand: 07.07.2019)

 

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