Ja, richtig gelesen: Ich habe mich dazu entschieden nie ein Auto zu kaufen. Warum? Nun, in den letzten Monaten habe ich mich sehr viel mit dem Klimawandel und dem drohenden Scheitern der Klimaziele beschäftigt. Und habe für mich beschlossen, dass ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann Teil des Problems zu sein. Die gesellschaftlichen Nachteile des Autofahrens sind im Allgemeinen einfach viel zu hoch. So viel ist klar: Um die Klimaziele zu erreichen müssen wir Menschen in den Industriestaaten unseren Lebensstil von der Auto-Abhängigkeit lösen. Da macht auch Elektro-Mobilität keinen Unterschied.
Deutschland ist ein Autofahrer-Land. So weit, so schlecht. Viele Menschen kaufen sich ein Auto — einfach weil sich andere Menschen auch ein Auto gekauft haben. Sie wollen dazu gehören und ihren Status in der Gesellschaft festigen. Für viele Leute ist es somit völlig selbstverständlich ein Auto zu haben. Ich aber sehe das extremst kritisch.
Es wurde viel zu lange für Autos geplant
In der Stadt, in der ich lebe werden beispielsweise nur 6% der Wege mit dem Rad zurück gelegt. Der Großteil der Wege wird — wie du dir denken kannst — im Auto absolviert. Dass sich meine Stadt trotzdem als “Fahrradfreundlich” bezeichnet ist eigentlich ziemlich peinlich. Und genau so verhalten sich viele Kommunen in Deutschland. Ungefähr seit den 60er Jahren werden die Städte für Autos geplant. Das führte und führt zu einer Verschlechterung der Lebensqualität. Und kaum jemand hinterfragt das.
Ich finde aber, dass man das hinterfragen muss. Denn: PKW-Massenmobilität hat in Bezug auf die Klimaziele keine Zukunft. Und somit ist es mir wichtiger ein Teil der Lösung zu sein als vermeintliche Vorteile für mein Ego zu haben. Die Betonung liegt auf “vermeintlich”. Denn sind wir mal ehrlich: Massenmotorisierung hat viel, viel mehr Nachteile als Vorteile.
Eine gesellschaftliche Katastrophe
Denk mal an die vielen negativen Folgen: Die Abgase. Der Lärm. Die Unfälle mit Toten und Verletzten. Die Staus. Der Stress. Die steigende Aggressivität im Straßenverkehr. Das Unsicherheitsgefühl bei vulnerablen Verkehrsteilnehmern. Der Platzmangel. Das lange Sitzen und der Bewegungsmangel. Die soziale Isolierung. Die versiegelten Flächen. Die enormen Kosten für Bau und Instandhaltung der Straßen. Die auf Autos ausgerichtete Stadtplanung. Das negative, von Autos abhängige Einkaufsverhalten. Die seltsame Angewohnheit Schulkinder mit dem Auto zur Schule zu fahren. Die hohen Ausgaben der Besitzerinnen und Besitzer. Der Wertverlust. … Und so weiter und so fort. Die gesellschaftlichen Kosten sind enorm. Ohhh, das klingt aber negativ! Ja aber siehs doch mal so:
Warum auf einem toten Pferd sitzen bleiben?
Und trotzdem ist das sonst so fortschrittlich denkende Deutschland eine Auto-Nation. Völlig unlogisch, nicht wahr? Sicherlich gibt es Millionen von Stimmen, die dem Autoverkehr zujubeln. Angeführt von Menschen die sich auf den Schlips getreten fühlen, wenn es um ihr liebstes Stück — ihr Auto geht. Die Auto-Lobby ist in Deutschland leider sehr mächtig. Sie ist ein sich selbst verstärkender Prozess, der sich gegenseitig beweihräuchert. Aber ich verrate dir mal was: Viele Vorteile, die für das Autofahren sprechen gibt es gar nicht.
Gerne wird angeführt, dass die deutsche Automobilwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig mit vielen Arbeitsplätzen ist. Komisch, dass dieser so hoch angesehene, gesellschaftlich wichtige Wirtschaftszweig es dann nötig hat die Gesellschaft zu bescheißen, oder? Ich sage nur: Diesel-Skandal. Von der Feinstaub-Problematik mal abgesehen: PKW-Massenmobilität verträgt sich wie gesagt nicht mit dem Einhalten der Klimaziele. Auf einem toten Planeten gibt es nämlich gar keine Arbeitsplätze!
Recht auf Autofahren?
Auch wird gerne ins Feld geführt, dass Autofahren die individuelle Freiheit fördert. Hm, ich habe irgendwann mal gelernt, dass die Freiheit des Einzelnen da aufhört wo die Freiheit des anderen beginnt. Es gibt da sowas, das heißt Grundgesetz. Autofahren ist übrigens auch kein Menschenrecht. Im Gegenteil: Die Massenmobilität ist eine ernste Bedrohung für die Menschheit. Soweit ich weiß gibt es ziemlich viele Menschen auf diesem Planeten. Und deren Freiheit ist massiv bedroht — eben weil so viele Menschen in der westlichen Welt meinen mit ihren Autos CO2 ausstoßen zu müssen und damit den Klimawandel befeuern, der zu zahlreichen sozialen Katastrophen führen wird.
Hier kommt dann meistens das Argument, dass man ja gefälligst erstmal den Kreuzfahrtschiff-Gästen an den Kragen gehen sollte, oder den Flugreisenden oder den “füge hier eine Sündenbock-Gruppe deiner Wahl ein”. Das Problem ist, dass diese Gruppen das Gleiche machen. Die schieben die Verantwortung auch weiter — zum Beispiel auf (dreimal darfst du raten) die Autofahrerinnen und Autofahrer. Und wenn das Spielchen so weiter geht dann…? Dann ändert sich gar nichts! Also: An allen Ecken und Enden muss sich was ändern! JEDER Mensch muss Verantwortung übernehmen, wenn er eine lebenswerte Zukunft erleben möchte.
Um die Wogen zu glätten: Krankentransporte, Einsatzfahrzeuge, Spezialfahrzeuge, etc haben selbstverständlich ihre Berechtigung.
Das einzige plausible Argument pro Autoverkehr, das ich durchgehen lassen kann ist die Situation im ländlichen Raum. Dort sind die Menschen in der Regel auf ein Auto angewiesen. Wobei die Menschen auf dem Land deswegen einen höheren CO2-Fußabdruck haben als die Stadtbewohnerinnen & Stadtbewohner und somit per se die Klimaziele gefährden. Ich jedenfalls werde mein Leben lang in Städten wohnen, sodass ich von der Autoabhängigkeit nicht betroffen sein werde.
Mach Klima!
Ansonsten fallen mir kaum weitere gute Gründe ein, warum die Masse der Menschheit weiterhin mit Autos den Planeten vor die Wand fahren sollte. Fällt dir ein plausibler Grund ein? Eventuell noch die persönliche Faulheit. Hm, aber nein, eigentlich auch nicht. Wenn mein Haus brennt dann ist Faulheit auch nicht gerade förderlich. Es ist tödlich. Gleiches gilt für den Klimawandel.
„Die Erwachsenen sagen immer, wir müssen den jungen Menschen Hoffnung machen, aber ich will eure Hoffnung nicht. Ich möchte nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich möchte, dass ihr in Panik geratet. Ihr sollt die Angst spüren, die ich jeden Tag spüre. Und ich möchte, dass ihr handelt. Dass ihr so handelt wie in einer Krise. Ich möchte, dass ihr so handelt, als wenn unser Haus brennen würde. Denn es brennt bereits.”
Greta Thunberg, schwedische Klimaaktivistin
Nicht nur das Haus brennt. Auch die Garage — mit all den Autos. Wie sieht es eigentlich mit Elektrofahrzeugen aus? Sind die zukunftsfähig? Nun die tanken in Deutschland leider unter anderem auch Kohlestrom, der CO2 produziert. Und auch die Herstellung der Fahrzeuge ist klimaschädlich und mit weiteren Umweltkatastrophen bei der Gewinnung der Rohstoffe verbunden. Also ist es keine wirkliche Alternative. Das Ändern unseres Mobilitätsverhaltens ist alternativlos. Für die Städte bietet sich besonders der Radverkehr an.
Teures “Vergnügen”
Und von den Umweltaspekten einmal abgesehen: Auch für den eigenen Geldbeutel ist es ein riesiger Segen wenn man kein Auto unterhalten muss. Sprit, Versicherungen, Reparaturen, Parkkosten, etc wollen bezahlt werden — Probleme die man beispielsweise mit einem Fahrrad nicht hat.
Wenn ich mit dem Rad durch die Stadt fahre und den Autofahrerinnen und Autofahrern ins Auto gucke, dann tuen sie mir manchmal fast schon Leid. Isoliert in ihrer Karosserie sitzen sie da, schaukeln ihre circa 80 Kilo (Tendenz steigend^^) in einem 1500 Kilo-Fahrzeug (Tendenz auch steigend) durch die Gegend und ärgern sich über die roten Ampeln, den Stau und die Spritpreise. Und am Ende kommen sie auch nicht eher an ihr Ziel als ein Radfahrer, der ganz flexibel durch die kleinen Gassen flitzt und auch Einbahnstraßen als Abkürzung nehmen kann. Bis knapp 5 Kilometer Entfernung ist man im Stadtverkehr mit dem Rad übrigens schneller als mit dem Auto!
In Bezug auf die Kosten, die ein Auto verursacht musst du dir eine Vokabel merken: Das Wort “Verbindlichkeit”. Eine Verbindlichkeit schafft keinen Wert. Im Gegenteil: Ein Auto beispielsweise verliert schon beim Kauf massiv an Wert, steht den Großteil der Zeit nur rum und fängt im schlimmsten Fall irgendwann an zu rosten. Es kostet und kostet und kostet. Du bezahlst viel, aber bekommst wenig. Und früher oder später geht es kaputt.
Denn das ist eingeplant. In einer Welt in der gefühlt Jeder/Jede bereits ein Auto hat müssen die Fahrzeuge auf Verschleiß gebaut werden, damit überhaupt regelmäßig neue verkauft werden können. Qualität? Fehlanzeige. Ganz ehrlich: Warum sollte ich von jemandem etwas kaufen, der mich verarscht?
Ein Beispiel
Und die Leute merken noch nicht mal, dass sie verarscht werden. Ich habe mal aus Spaß auf der Volkswagen Facebookseite durch die Kommentare gescrollt. Und ich bin dezent erschüttert, wie sich die Kunden und die Leute vom VW-Social Media-Team gegenseitig beweihräuchern. Beziehungsweise, wie das Social Media Team die User manipuliert, indem sie ihnen positive Gefühle vorgaukeln. Ja, objektiv gesehen ist es verdammt gutes Marketing — das aber leider der Gesellschaft schadet und nur den Konzernen zu gute kommt.
Achte beispielsweise mal darauf, mit welchen Mitteln VW in diesem Video versucht mit deinen Emotionen zu spielen.
Macht Laune, nicht wahr? Sich von so tollen Bildern berieseln zu lassen ist eine wahre Freude. Es stimuliert die Sinne und es fühlt sich einfach positiv an sowas anzusehen — weil es vollgepackt ist mit Psychologie. Angefangen mit der Kameraführung, den verschiedenen Farben, der Musik und der netten Familiensymbolik bis hin zum Freiheitsdrang & Abenteuerlust, individuellen Wahlmöglichkeiten, schönen Frauen, etwas Glamour, tiefer Hoffnung, der Drang etwas besonderes zu sein, Ansehen zu haben, blabla. VW zieht alle Register. Und die Kundinnen und Kunden fallen darauf rein. Ich hoffe du nicht.
Die Werbeindustrie weiß genau wie sie dich an die Angel kriegt. Ich bin fast geneigt zu sagen, dass sie mehr über dich weiß als du über dich selbst. Könnte hinkommen, oder? Es ist so gut gemacht, dass man glatt den Widerspruch übersieht, dass ein SUV im urbanen Raum überhaupt keinen Sinn macht. Ein Geländewagen ist…schließlich fürs Gelände. Traurig, dass ich das noch betonen muss.
Das einzige was ich an dem Video gut heißen kann ist, dass das Video damit beginnt, dass wir Menschen das Bedürfnis haben unseren Ort zum Leben (place to live) aussuchen — genau darum geht es ja hier auf meinem Blog. Ansonsten: Das obige Video zeigt: Es ist super leicht sich für ein Auto zu entscheiden. Es macht sogar viel Spaß. Aber: Es ist extrem egoistisch. Klar, ein Auto eröffnet dem einzelnen Menschen eine Menge Möglichkeiten aber kommt das im Endeffekt auch der Gesellschaft zu Gute? Nein.
“Fast alles, was wir in Sachen Nachhaltigkeit erreichen, wird überkompensiert. Das beste Beispiel sind diese idiotischen Autos. Deren Antriebstechnologie wird immer effizienter. Zugleich werden sie immer größer, schwerer, vollgepackter mit hirnrissigen Komfortangeboten. Und verbrauchen am Ende mehr.”
Harald Welzer, Sozialpsychologe
Eine grüne, lebenswerte Zukunft findet ohne PKW-Massenmobilität statt. Und ich bin dabei. Zu meinem idealen Wohnort gehört, dass ich nicht von einem Auto abhängig bin. DAS ist Freiheit.
Hast du ein Auto? Oder schützt du bereits das Klima und somit deine zukünftigen Lebensgrundlagen? Wie viele deiner Wege legst du mit dem Rad oder zu Fuß zurück?