Jeder hat diesen einen Freund, der immer unterwegs ist, neue Länder bereist und alte Freunde besucht — Und sich trotzdem Zeit nimmt für neue Ideen und Projekte! Marius ist definitiv so ein Freund. Ich freue mich, dass er heute hier in Form eines Gastartikels über sein Master-Forschungsprojekt, das er in Belgien durchgeführt hat, berichtet. Marius, vielen Dank für deinen Beitrag!
Vorwort: Ich glaube es war der 06. Oktober 2011, als ich Christian vor nun mittlerweile 6 Jahren auf einer Stadt-Rallye im hessischen Marburg kennenlernte. Die Geographie hatte es uns wohl beiden angetan. Schon während des Studiums arbeiteten wir zusammen an einigen Projekten — mal mehr, mal weniger erfolgreich, doch als er mit seinem Blog „Feel Urban“ um die Ecke kam, musste ich auch erstmal genauer hinschauen.
„Ziel: (…) Menschen auf ihrer Suche nach Lebensqualität zu unterstützen.“
heißt es dort auf seiner Website. „Klingt ja ganz nett“, dachte ich mir zunächst, aber…
…was ist eigentlich „Lebensqualität“?
Grundsätzlich glaube ich, dass Lebensqualität einem bestimmten Ort gewisse Qualitäten zuschreibt, die uns auf irgendeine Art und Weise ein Gefühl der Zufriedenheit offenbaren. Diese ortsbezogenen Eigenschaften können sehr vielfältig ausfallen, da jeder von uns unterschiedliche Anforderungen an seine Umgebung und somit an die eigene Vorstellung von Lebensqualität stellt. Die Bandbreite reicht dabei unter anderem von den Bereichen Sport, Gesundheit, Mobilität, bis hin zu sozialer Interaktion.
Ich selbst beschäftige mich in meinem Studium und auch privat mit einem Bereich, der mit Sicherheit in jeder Form von Lebensqualität einen Platz findet – Ernährung.
“Because food matters to all, rich and poor”
Diesen sehr einfachen Satz hörte ich in einem Interview im Zuge meines Studienprojekts, das ich zum Thema “Alternative Food Production” führte. Wahrscheinlich ist nichts im unserem Leben so elementar wichtig wie unsere Ernährung. Denn egal, wie viel wir verdienen, ohne Essen und Trinken funktioniert das System-Mensch nicht. Über unsere Ernährung nehmen wir Energie auf, die wir für alle anderen Dinge in unserem Alltag aufwenden, um die eigene Lebensqualität zu fördern. Interessanter wird dieses Zitat jedoch erst, wenn man sich den Rest davon anschaut:
“(…) In the town where I live, there are no shops anymore. No bakeries, no supermarkets, nothing. If the people want to buy something they must take the bus to the city. Because of that the people don’t know each other anymore. The social interaction between the people is slowly fading away and they don’t even realize that. Some people don’t even know their neighbours anymore. If we create places where people can come together and interact by cultivating food and where people can also learn about food production, we improve our social life. Because food matters to all people, rich and poor.”
Ich glaube die Botschaft hierbei ist: Wenn wir anfangen uns intensiver mit der eigenen Ernährung auseinanderzusetzen, dann fördern wir die eigene Lebensqualität. Bürgerschaftliche Initiativen zum gemeinschaftlichen Gärtnern ermöglichen uns nicht nur Zugang zu gesunden und leckeren Lebensmitteln, sie fördern auch unsere soziale Interaktion. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob es sich um „Urban Gardening“ „Food Sharing“ oder „Gemeinschaftsgärten“ handelt.
Anhaltende Verstädterung, mangelnde Nahrungsmittelsicherheit, kontinuierlich steigende Lebensmittelpreise, Auswirkungen des Klimawandels und der Ressourcenverknappung in Verbindung mit einer stetigen Wanderung in Städte begründen weltweit das wachsende Interesse an innovativen Ansätzen nachhaltiger Lebensmittelversorgung.
Lebensqualität sollte nicht daraus bestehen, jeden Tag in Plastik abgepacktes Obst und Gemüse vom Supermarkt nach Hause zu tragen, um anschließend festzustellen, dass jede der Tomaten, die ich gekauft habe, nicht nur gleich aussieht, sondern auch gleich schmeckt. Es lohnt sich alternative Nahrungsmittelsysteme auszuprobieren, denn wenn wir zunehmend standardisierte Lebensmittel konsumieren, werden wir irgendwann vergessen, wie richtig gute Tomaten schmecken.
Ein Beispiel – De Wikke
In Leuven, Belgien bin ich auf ein besonderes Projekt alternativer Lebensmittelversorgung aufmerksam geworden. Auf einem ehemaligen Klostergelände betreibt die gemeinnützige Organisation „Wonen en Werken“ ein Gartenbauprojekt – „De Wikke“. Auf rund 2 Hektar Land wird vor allem Obst und Gemüse angebaut. Dabei werden keine Chemikalien oder Pestizide verwendet.
Die Lebensmittel werden anschließend direkt vor Ort im Hofladen verkauft. Ich verglich die Preise im Hofladen, mit den Lebensmittelpreisen eines lokalen Supermarkets (ALDI) und musste feststellen, dass die Preise nahezu identisch waren — keineswegs teurer. Beispielsweise lag der Kilopreis für Butternut-Kürbisse im Hofladen von „De Wikke“ bei 1,90 €, während dieser im ALDI-Supermarkt im Stadtzentrum 1,85 € betrug.
Das Projekt wurde ins Leben gerufen, um Arbeitsplätze für sozial benachteiligte Personen zu schaffen. Angestellt sind rund 7 Personen. Drogensüchtige, Geflüchtete etc. Das Gelände wurde „De Wikke“ vom lokalen Klosterverbandes zur Verfügung gestellt. Anfangs durch die Organisation „Wonen en Werken“ und vor allem durch Spenden gefördert, kann sich das Projekt heute durch den Hofladen fast vollständig selbst finanzieren. Darüber hinaus ist es für jeden zugänglich. Jeder kann auf den Feldern mithelfen und lernen wie Lebensmittel angebaut, kultiviert und geerntet werden.
Projekte wie „De Wikke“ leisten nicht nur einen wichtigen sozialen Beitrag, sondern schaffen auch Zugang zu gesunden und nachhaltig produzierten Lebensmitteln. Man weiß, wo das Obst und Gemüse herkommt und man weiß wer es anbaut. Darüber hinaus kann man auch selbst mit anpacken. Und ja – die Tomaten vom Hofladen schmecken genial!
Welche Erkenntnisse bleiben?
Nachdem ich mich nun schon länger mit Fragen der Ernährung auseinander setze bleibt mir folgende Erkenntnis.
Es lohnt sich mehr Zeit für die eigene Ernährung aufzubringen.
Es lohnt sich den Routine-Gang zum Supermarkt zu hinterfragen.
Es lohnt sich Ausschau nach alternativen Lebensmittelkonzepten zu halten, denn in vielen Fällen sind damit nicht zwangsläufig auch höhere Lebensmittelkosten verbunden.
Natürlich sind Bio-Lebensmittel teurer, aber es existieren zahlreiche Möglichkeiten an Nahrungsmittel zu gelangen, die nachhaltig, gesund und lecker sind, ohne dass diese ein Bio-Siegel tragen und ohne tief in den Geldbeutel greifen zu müssen. Mit bewusster Ernährung fördern wir nicht nur die eigene Gesundheit, sondern schaffen auch einen sozialen Mehrwert im Sinne von sozialer Interaktion, was nicht nur zur eigenen Lebensqualität beiträgt.
Nun zu dir, lieber Leser: Was hältst Du von dem Projekt “De Wikke”? Und: Kennst du ähnliche Projekte in Deutschland? Du darfst die Kommentar ‑Funktion unten nutzen.