“Eine endlose Anzahl grüner Gebäude macht noch keine nachhaltige Stadt.” - Jan Gehl
Ich bin der Meinung dass die Beziehung zwischen einer Person und ihrer Stadt am besten funktioniert, wenn die Stadt hilft die individuellen Ziele der Person zu erfüllen. Was beispielsweise für die/den Eine(n) das Gründen einer Familie ist, ist für die/den Nächste(n) das Gestalten einer erfolgreichen Karriere. Und: Eine weitere Zielsetzung wird in Zukunft mehr als essentiell: Das Erreichen der persönlichen Klimaziele.
Der Weltklimarat hat berechnet, dass ab 2050 nur noch ca 2 Tonnen CO2 pro Jahr pro Kopf ausgestoßen werden dürfen, um die beschlossenen Klimaziele zu erreichen. Der/die durchschnittliche Deutsche emittiert im Moment aber ca 11 Tonnen pro Jahr! In den nächsten Jahren und Jahrzehnten müssen wir also kontinuierlich unseren Lebensstil anpassen. Das Problem ist, dass es im Moment noch sehr beschwerlich ist auch nur ansatzweise klimaneutral zu leben. Für beinahe alle Aktivitäten, die wir in unserem zivilisierten Alltag unternehmen brauchen wir Energie. Energie, die nur noch selten von Muskelkraft kommt sondern vielmehr von fossilen Energieträgern. Das ist zwar sehr billig, aber extrem klimaschädlich.
Das Problem: Auf erneuerbare Energien zu setzen reicht bei weitem nicht aus. So viele Windräder und Photovoltaikanlagen können wir nicht bauen um unseren Energiehunger zu stillen. Zu hoffen, dass es Erfindungen gibt, die uns das Energieproblem lösen ist ebenfalls naiv. Auf ein Perpetuum Mobile, das von alleine Energie erzeugt, braucht man schließlich nicht hoffen — außer man schafft es die Naturgesetze außer Kraft zu setzen. Extrem unwahrscheinlich. Deswegen zeichnet es sich ab, dass es unvermeidlich ist unseren Energiebedarf kontinuierlich zu senken. Das bedeutet, dass wir unsere Art zu Leben anpassen müssen.
Place matters
Und das fängt bei unserem Wohnort an. Denn das ist der Ort, an dem wir den Großteil unserer Zeit verbringen und dementsprechend viel Energie verbrauchen. Sei es beim Heizen, bei der Mobilität, bei der Ernährung, beim Konsum und bei der Freizeitgestaltung. Hier entscheidet sich, ob unser CO2-Fußabdruck mit den Klimazielen vereinbar ist oder eben nicht.
Habe ich Radwege in der Nähe? Wie gut gedämmt ist meine Wohnung/ mein Haus? Wo bekomme ich ökologische, regionale und saisonale Lebensmittel? Wie weit ist mein Weg zur Arbeit? Kann ich meine Besorgungen zu Fuß machen? Mit wem in meinem Umfeld kann ich mir eine Waschmaschine teilen? Habe ich genug Abwechselung und kulturelle Vielfalt in meiner Umgebung oder muss ich immer in den Urlaub fliegen? Wo kann ich selber Gemüse anbauen? Wo ist das nächste Repair-Cafe? … Fragen über Fragen. Du siehst: Unser Wohnort stellt die Basis bereit, wie nachhaltig wir leben können.
Generell bietet das Leben in der Stadt gegenüber dem Land eine klimafreundlichere Basis. Das liegt unter anderem an geringerem Energieaufwand beim Heizen, was an der dichten Bebauung liegt. Viele Menschen auf wenig Fläche bedeutet weniger Energieverbrauch. Und zum anderen muss in der Stadt durch die kurzen Wege weniger Energie aufgewendet werden um von A nach B zu kommen und die Grundbedürfnisse zu erfüllen. Vor allem kann sehr leicht auf ein Auto verzichtet werden. Und: Wenn in die Höhe gebaut wird anstatt in die Fläche, dann wird weniger Land gebraucht und weniger Natur zerstört.
Die weltweite Urbanisierung ist also eine große Chance. Denn was wäre die Alternative zur urbanen Dichte? Eine massive Zersiedlung der Natur. Das sollten wir tunlichst vermeiden. Allerdings: Das heißt nicht, dass alle Menschen in die Großstädte ziehen sollten. Jeder Mensch, der auf dem Land wohnen bleibt ist wichtig. Denn nur so kann sicher gestellt werden, dass dort die Daseinsvorsorge aufrecht erhalten wird, wodurch die Wege halbwegs kurz bleiben und somit möglichst wenig Energie für Mobilität benötigt wird und die Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit auf einem stabilen Level bleibt.
Nachhaltige Grundlagen
Aber bleiben wir beim Thema Stadt: Die zentrale Frage muss lauten: Wie müssen wir unsere Städte planen, um dem einzelnen Menschen dabei zu helfen seine Klimaziele zu erreichen? Wie können wir Energie einsparen? Und vor allem: Wie schaffen wir gleichzeitig ein Plus an Lebensqualität anstatt Einschränkungen und soziale Verwerfungen zu produzieren?
Nun, bevor diese Frage beantwortet werden kann eröffnen sich schon die ersten Schwierigkeiten: Wie bauen wir überhaupt? Und da stößt man schnell auf die Erkenntnis, dass wir
- zu viel Beton, Stahl und Glas verwenden.
- zu viele Flächen verbrauchen bzw versiegeln
Gerne empören wir uns (zu Recht) darüber dass in Südamerika der Regenwald abgeholzt wird. Dass wir aber selber in Deutschland täglich eine Fläche von ca 88 Fußballfeldern für Siedlungs- und Verkehrsflächen ausweisen hat kaum jemand auf dem Schirm. Und hier ist der Punkt: In dem Moment wo wir aufhören Flächen zu verbrauchen beenden wir auch den immer stärker werdenden Energiehunger. Je mehr Fläche wir in Infrastruktur umwandeln desto mehr Energie verbrauchen wir. Wirtschaftswachstum braucht Platz. Auch wenn wir kaum noch Industriehallen bauen: Selbst Internetfirmen — bei denen man denken könnte, dass sie kaum Gebäude, etc brauchen — benötigen enorme Flächen. Ziel muss es also stattdessen sein, bereits genutzte Flächen und deren Strukturen umzunutzen. Streng genommen haben wir in Deutschland auch keine Wohnungsnot. Wir müssten den vorhandenen Wohnraum einfach nur gerechter verteilen und pro Nase weniger Quadratmeter bewohnen.
Materialschlacht
Das zweite Problem sind wie gesagt die Materialien, die wir verbauen. Wenn die ganze Welt so bauen würde, wie wir Menschen in der westlichen Welt dann hätte das die Kapazitäten unseres Planeten schon längst überstiegen. Wir bauen schlichtweg auf Pump. Können die heutigen Stahl-Beton-Wolkenkratzer in 50 oder 100 Jahren noch saniert werden? Werden diese Materialien in dieser Zeit überhaupt noch in Masse zur Verfügung stehen? Es ist offensichtlich, dass auch in der Baubranche ein Umdenken bei der Wahl der Materialien stattfinden muss.
Schon jetzt erlebt Holz seine Renaissance. Und das ist nicht verwunderlich — schließlich ist es im Gegenteil zu Stahl und Beton ein nachwachsender Rohstoff. Das in Deutschland geerntete Holz würde mehr als reichen, um alle Neubauten aus Holz zu bauen. Punkten kann das Material außerdem durch kurze Transportwege. Bäume wachsen schließlich überall. Und auch das oft kritisch gesehene Thema Brandschutz ist kein Problem. Massive Holzstrukturen bleiben im Falle eines Brandes genügend lange tragfähig. So ist es kein Wunder dass mittlerweile sogar Hochhäuser aus Holz gebaut werden.
Ein weiterer fast endlos zu Verfügung stehender Rohstoff ist Lehm. Auch mit diesem Material könnten ganze Stadtviertel entstehen. Und auch hier ist der große Vorteil, dass Lehm nahezu überall verfügbar ist und somit Transportwege gespart werden können. Einziger Nachteil: Lehm- und Holzbauten sind teurer als die derzeit verwendeten Materialien aus der Massenproduktion. In der Hinsicht ist noch Besserungsbedarf.
Nach dieser einführenden Erkenntnis — dass wir zukünftig auf nachhaltige Rohstoffe wie beispielsweise Holz und Lehm setzen müssen und den Flächenverbrauchswahnsinn stoppen müssen — möchte ich nun einige umfassende Ideen vorstellen, wie das Leben in einem klimafreundlichen Stadtviertel aussehen könnte.
Wohnen
Wie oben angesprochen ist eine gewisse Dichte in einer Siedlung sehr wichtig. Wie dicht darf es sein? Die Kunst ist eben einen guten Kompromiss zu finden zwischen zu hoher Dichte und zu geringer Dichte. Das Umland mit einstöckigen, PKW-abhängigen Einfamilienhäusern zu besiedeln ist — wie gesagt — genau so falsch, wie ganze Viertel mit anonymen Hochhäusern zu pflastern. Denn: Wenn die Wohngebäude zu hoch sind fühlen sich Menschen sozial isoliert. Zudem ist die nachbarschaftliche Hilfe in diesen Gebäuden sehr schwach ausgeprägt. Ideal erscheint also eine urbane Dichte mit moderat vielen Stockwerken. Ich schlage 4–6 Stockwerke vor.
Als Struktur bietet sich eine Blockrandbebauung an. Dadurch entsteht eine urbane Dichte, die viel menschliche Interaktion sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich ermöglicht. Die Sozialstruktur der Bewohnerschaft im Block gleicht der eines kleinen Dorfes, die durch hohe soziale Kontrolle innerhalb des Blocks für ein Sicherheitsgefühl sorgt.
Desweiteren ist es wichtig vergleichsweise kleine Wohnungen zu bauen. Mindestens die Wohnungen im Erdgeschoss müssen barrierefrei sein. Denn mit fortschreitendem demographischen Wandel wird es immer mehr Menschen geben, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Wichtig ist außerdem, pro Gebäude mindestens einen Gemeinschaftsraum anzubieten. Dort können sich die Bewohner austauschen und Gebrauchsgegenstände, wie zum Beispiel Werkzeuge oder eine Waschmaschine teilen. Auf diese Weise wird der Konsum neuer Geräte eingedämmt, Souveränität gesteigert und gleichzeitig mehr Gemeinschaftsgefühl geschaffen.
Eine funktionierende Nachbarschaft ist essentiell. Denn: Die Klimakrise wird verstärkt die Gefahr von Umweltkatastrophen, wie Waldbränden, Stürmen oder Überflutungen mit sich bringen. Eine gut funktionierende Nachbarschaft kann Leben retten. Deswegen muss nachbarschaftlichen Beziehungen besonderes Augenmerk geschenkt werden.
Power to the people!
Da Gebäude aus Holz oder Lehm plus Dachgarten teurer sind als herkömmliche Gebäude müssen attraktive Finanzierungsmodelle entstehen. Subventionen vom Staat sind wichtig. Außerdem können genossenschaftliche Finanzierungsmodelle eine Lösung sein. Wichtig ist außerdem, dass ein Teil der Wohnungen als Sozialwohnungen zu errichten sind, um eine gemischte Bevölkerungsstruktur anzubieten. Zusätzlich müssen langjährige Mietbindungsfristen angesetzt werden. Dadurch können die Mieten und somit die Bewohnerstruktur in Zukunft geschützt werden. Die Verdrängung von Bewohnerinnen und Bewohnern muss um jeden Preis verhindert werden, um sicherzustellen, dass Bewohnerinnen und Bewohner eine langfristige, von Sicherheit und Konstanz geprägte Bindung zu ihrer Nachbarschaft eingehen. Durch die Bindung ergibt sich ein höheres Verantwortungsgefühl für den eigenen Stadtteil und somit mehr Engagement, Gestaltungswille, Kreativität, Selbstwirksamkeit, Resilienz und somit Zufriedenheit. Die Herausforderungen der Klimakrise müssen wie gesagt durch sozialen Zusammenhalt gestemmt werden.
Öffentlicher Raum
Wichtig bei der Bebauung ist, zuerst das Leben im öffentlichen Raum zu planen und daran die Gebäude auszurichten. Das menschliche Maß ist zu beachten. Ich betone das ausdrücklich, denn: Viel zu lange haben Architekten ausgehend von den Ideen der Moderne die Städte an Autos angepasst. Damit muss nun Schluss sein. Eine nachhaltige Stadt muss sich an die Menschen und ihre natürliche Geschwindigkeit anpassen.
Der öffentliche Raum muss einladend wirken, soziale Interaktion fördern, Einsamkeit vorbeugen, für Bewegung sorgen und Ideen-und Wissenstransfer fördern. Da die Temperaturen weltweit steigen werden ist es zudem extrem wichtig Frischluftschneisen und kühlende Begrünung zu etablieren. Die Städte der Zukunft ist grün! Auch die Artenvielfalt spielt eine wichtige Rolle. Zum Beispiel ist es sinnvoll Blühwiesen in den Grünflächen zu integrieren. Zusätzlich können zwischen den Gebäudeblöcken Gemeinschaftsgärten entstehen, um die Artenvielfalt zu schützen und die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Grünflächen reduzieren bekanntermaßen Stress. Grüne Stadtviertel sorgen dafür, dass das Leben trotz der steigenden Temperaturen angenehm bleibt.
Die Menschen müssen eigenen Gestaltungspielraum haben. Besonders Kinder und Jugendliche brauchen Räume, die sie sich aneignen können. Vandalismus, Müll und ungewünschtes Graffiti sind allerdings zügig zu entfernen, um keine Angsträume entstehen zu lassen. Dafür zuständig sein sollten speziell für Lebensqualität geschulte, kompetente Stadtteil-Kümmerer, die im Einzelfall entscheiden was entfernt wird und was nicht.
Ernährung
Ein nachhaltiger Stadtteil sollte das Ziel haben so autark wie möglich zu wirtschaften und sich zu ernähren. Sicherlich können sich die Bewohnerinnen und Bewohner im urbanen Raum nur sehr schwer komplett selbst mit Lebensmitteln versorgen. Grund dafür ist, dass zu wenig Anbau-Fläche zur Verfügung steht. Es gibt zwar viele Ideen, wie beispielsweise Vertical Farming oder Labor-Erzeugnisse, allerdings muss immer beachtet werden, wie hoch der Energieverbrauch für diese Art der Landwirtschaft ist.
Um den Flächenanteil an Anbauflächen so hoch wie möglich zu setzen haben wir die Idee alle Gebäude mit Flachdächern auszustatten, auf denen dann Nahrungsmittel angebaut werden sollen. Erlaubt wird nur ökologischer Anbau. Da die Gebäude eines Blocks eine Einheit bilden entsteht ein zusammenhängender Dachgarten in dem jede/r Bewohner_in ihre/seine eigene Parzelle bekommt. Neben Anbau von Lebensmitteln könnte die Parzelle auch dafür benutzt werden Energie mit Photovoltaik oder kleinen Windkraftanlagen zu gewinnen. Mindestens ein Gebäude im Block sollte einen Aufzug bekommen, um mobiliätseingeschränkten Personen einen Zugang zum Dachgarten zu schaffen und Lasten hoch und runter transportieren zu können. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wird der Biomüll in den Wohnungen gesammelt und auf den Dachgarten zur Kompostierung gebracht. Die Lage auf dem Gebäude verhindert zusätzlich, dass unerwünschte Tiere, wie Ratten angelockt werden.
Auch auf allen weiteren Gebäuden (Bürogebäuden, öffentlichen Gebäuden, etc) sollten Dachgärten entstehen. Diese können an Bewohner in der Nähe verpachtet werden und beispielsweise über Brücken, die die Blöcke verbinden, erreichbar sein.
Mobilität
Oberster Grundsatz eines nachhaltigen Stadtviertels muss sein, dass die Menschen nur kurze Wege zurück legen müssen, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Neben Homeoffice-Konzepten ist es wichtig, dass innerhalb der Blöcke eine Mischnutzung aus Wohn- und Bürogebäuden besteht. Auch (geräuscharme) Gewerbebetriebe und Werkstätten sollen sich in unmittelbarer Umgebung der Wohngebäude befinden. Auf diese Weise fallen lange Pendlerwege weg und es kann im Alltag massiv Energie eingespart werden. Nicht zuletzt haben kurze Wege auch einen enormen wirtschaftlichen Vorteil: Zeit ist Geld!
Ein klimafreundliches Stadtviertel muss autofrei sein. Obligatorische Zufahrten für die Feuerwehr und die Müllabfuhr und Ausnahmen für Spezialfahrzeuge, Schwerlast-Lieferverkehr, Krankentransporte, Härtefälle, etc sind selbstverständlich davon ausgenommen. Aber: Die mobile Bevölkerung ist eingeladen ihre Wege mit dem Rad oder zu Fuß zurück legen. Leichte bis mittelschwere Lasten sollen mit Lastenrädern befördert werden.
Zusätzlich bietet es sich an elektrische Straßenbahnen einzurichten. Diese haben im Vergleich zu Elektro-Individualverkehr eine deutlich höhere Effizienz — das heißt viel weniger Energieverbrauch pro Person. Das ist einer der Gründe, warum die Straßenbahn schon jetzt weltweit eine Renaissance feiert. Elektrobusse sind ebenfalls eine zukunftsfähige Art Menschen von A nach B zu bringen. Das Problem bei Bus und Bahn ist dass den Passagieren der Kontrollaspekt fehlt. Sie haben ihre Umwelt nicht unter Kontrolle wie es beispielsweise im Individualverkehr der Fall ist. Wenn beispielsweise ein Stau auftritt und das Erreichen ihres Zieles in Gefahr gerät, dann sind die Passagiere davon abhängig, wie die Fahrerin/der Fahrer reagiert — ohne Einfluss darauf zu haben. Radverkehr hingegen ist deshalb eine hervorragende Mobilitätssart. Hier liegt die Kontrolle und Flexibilität bei der Einzelnen/dem Einzelnen.
Das Umland einer Stadt sollte deshalb neben Busverbindungen auch mit Radschnellwegen angebunden werden. Speziell für flache Gebiete bieten sich Schnellwege für Velomobile an, die mit Auf- und Abfahrten ein schnelles Vorankommen garantieren. Auf diese Weise können Menschen, die im Umland der Stadt leben wollen klimaneutral in ebenjene hineinpendeln.
Für weiter entfernte Ziele müssen preisgünstiger Bahnverkehr und komfortable Fernbusse angeboten werden. Am Rande der Stadt kann zudem ein Carsharingpool für Elektro-Autos entstehen um weiterentfernte Ziele zu erreichen, die nicht mit Zügen oder Bussen erreichbar sind. Ähnlich wie heutige Flughäfen sollten sich diese Carsharingpools außerhalb der Stadt befinden und mit einer Straßenbahnlinie mit der Stadt verbunden sein. Wie gesagt: Die Verkehrsflächen innerhalb der Stadt sind für Fahrräder, Fußgängerinnen & Fußgänger (und einzelne Ausnahmen spezieller Fahrzeuge) vorgesehen.
Lebensqualität
Neben den Vorteilen für den Klimaschutz ergibt sich aus den vorgestellten Ideen ein zweiter großer Vorteil: Das Steigern der Lebensqualität. Ein entschleunigtes, demokratisches, aktives, auf menschlichem Maß beruhendes Stadtviertel passt sich an die menschlichen Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner an. Und das ist wichtig: Auf diese Weise gerät der Wachstumswahn in den Hintergrund, der in unserer heutigen westlichen Welt derzeit noch dazu führt dass wir nicht nur planetare, sondern auch psychische Grenzen überschreiten. Ein Beispiel: Die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Diagnosen haben sich in den letzten 10 Jahren in Deutschland circa verdoppelt! Lebenswerte Städte mit funktionierenden, wertschätzenden Sozialstrukturen hingegen sind eine würdige Grundlage für psychische Gesundheit.
Wenn in der Nachbarschaft viel Lebensqualität zu finden ist dann inspiriert das dazu sich mehr mit dem Stadtteil zu identifizieren und für noch mehr Lebensqualität zu sorgen. Und: Je wohler man sich in seinem Umfeld fühlt, desto weniger hat man den Drang Reißaus zu nehmen und andauernd ausschweifend auf Reisen zu gehen. Und das ist positiv, denn das heutige Reiseverhalten kostet leider sehr sehr viel Energie.
Im Moment leiden wir unter anderem noch unter Konsumstress, der Qual der Wahl, der Angst Wesentliches zu verpassen, individuellen Ängsten und dem drohenden Klimakollaps. Was wir aber stattdessen brauchen sind resiliente, unterstützende, inklusive, möglichst autarke, starke Gemeinschaften bzw Nachbarschaften. Was wir brauchen sind Menschen, die sich als Subjekt gestaltbarer Umstände und nicht als Objekt unkontrollierbaren Schicksals erleben. Auf das Stadtviertel bezogen heißt das:
Wir brauchen Menschen, die ihre Wege selbstbestimmt mit Muskelkraft zurück legen und nicht in Staus und Frust versinken. Wir brauchen Menschen die ihre Ernährung bewusst mit eigenen Lebensmittel ergänzen statt vom Weltmarkt abhängig zu sein. Wir brauchen Menschen die lernen in Gemeinschaft Dinge zu reparieren, statt andauernd ein schlechtes Gewissen beim Kauf eines neuen Billigproduktes haben. Wir brauchen Menschen die wieder lernen zu teilen, zu geben und zu vertrauen anstatt versteckt hinter ihrer unreflektierten Alltags-Rolle ihre Umwelt auszubeuten. Letztendlich brauchen wir Menschen, die Teil der Lösung werden anstatt immer weiter auf Pump in eine Sackgasse zu rennen, die zu einer weltgesellschaftlichen Katastrophe führt. Nachhaltige, konsequent das Klima schützende Städte ermöglichen diesen Weg. Sie helfen dabei einen neuen Lebensstil zu führen, der mit den Klimazielen in Einklang steht und gleichzeitig ein Plus an Wohlbefinden beschert.
Zusammenfassung
- Für die Klimaziele müssen wir alle Bereiche unseres Lebens einem Wandel unterziehen
- Wir müssen enorm viel Energie einsparen
- Der Wohnort stellt die Grundlage dafür dar
- Wir müssen aufhören so viel Flächen in Anspruch zu nehmen
- Wir müssen mit ökologischen Materialien wie Holz und Lehm bauen
- Wir brauchen urbane Dichte, zum Beispiel in Form von Blockrandbebauung
- Wir brauchen Gemeinschaftsräume um Gebrauchsgegenstände zu teilen
- Wir brauchen intakte, unterstützende Nachbarschaften
- Wir brauchen eine hohe Bindung an den Wohnort und ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl
- Wir brauchen bezahlbare Mieten
- Wir brauchen Dachgärten, viele Grünflächen und Blühwiesen
- Wir müssen nach menschlichem Maß planen
- Mobilität muss zu Fuß, mit dem Rad und mit ÖPNV statt Autos stattfinden
- Wir brauchen Radschnellwege, auch für Velomobile
- Wir brauchen preisgünstigen Bahnverkehr und komfortable Fernbusse
- Lebensqualität muss im Fokus stehen