Die Bindung zum Wohnort kann Leben retten

We can’t help ever­yone but ever­yone can help someone.”Ronald Reagan.

Eines der Ziele seinen idealen Wohnort zu finden ist, dass man sich voll und ganz mit seinem Wohnort iden­ti­fi­ziert. Es ist wie bei allen Berei­chen im Leben: Wenn man nicht voll und ganz von etwas über­zeugt ist, dann kümmert man sich nur halb­herzig darum. Je stärker aber die Bindung ist, desto mehr kümmert man sich darum. Das gilt eben auch für den Wohnort. Dass die Bindung an den Wohnort sogar Leben retten kann zeigt folgende Studie.

 

Die Folgen eines Erdbebens

Nach dem verhee­renden Tsunami in Japan im März 2011 fiel den Forschern Daniel Aldrich und Yasuyuki Sawada auf, dass in manchen Gebieten, wo der Tsunami gewütet hatte mehr Todes­opfer zu beklagen waren als in anderen. Auf dem ersten Blick könnte man meinen, dass dies an der unter­schied­li­chen Art der Deiche und der Beschaf­fen­heit der jewei­ligen Küsten­ab­schnitte lag. Dies war aber nicht der Fall. Warum war die Anzahl der Todes­opfer also so unter­schied­lich an den 113 einzelnen Orten?

Die Studie der Wissen­schaftler ergab: Neben der Höhe des Tsunamis, und poli­ti­schen Umständen waren vor allem die Ausprä­gung der sozialen Nach­bar­schaften für die Unter­schiede bei den Todes­zahlen verant­wort­lich. Denn: Bevor der Tsunami auf das Land traf blieb den Küsten­be­woh­ne­rinnen und Küsten­be­woh­nern etwa 40 Minuten Zeit um sich Rich­tung Landes­in­nere in Sicher­heit zu bringen. In den Gebieten, wo die Bewoh­ne­rinnen und Bewohner eine starke Bindung an ihren Ort und ihre Mitmen­schen hatten halfen sich die Menschen gegenseitig.

So konnten beispiels­weise viele Menschen mit Behin­de­rung, Alte, Kranke und Schwache aus ihren Wohnungen in Sicher­heit gebracht werden. In Gebieten mit schwach ausge­prägter sozialer Vernet­zung fand dies hingegen kaum statt.

Um in Todes­ge­fahr einer anderen hilfs­be­dürf­tigen Person zu helfen braucht es jeden­falls mehr als nur ein unge­fähres Wissen, wo denn über­haupt dieser Mensch wohnt. Die Zivil­cou­rage, in eigener Not einen anderen Menschen zu retten bringt jemand nur auf, wenn wirk­lich eine starke, über längere Zeit aufge­baute mensch­liche Bindung vorhanden ist. Die Bindung an die Wohn­ge­gend und die damit einher­ge­hende gegen­sei­tige soziale Hilfe kann in einer Extrem­si­tua­tion wie einem Tsunami also Leben retten.

Oder mit anderen Worten: Wenn der Ort so gut zu einer Person passt, dass er extrem zu ihrer Zufrie­den­heit beiträgt, dann fällt es leicht sich an den Ort und seine Menschen zu binden. Aus diesem Vertrauen können Lebens­ret­te­rinnen und Lebens­retter entstehen — wie in Japan im März 2011.

 

Bezogen auf Deutsch­land heißt das:

Es gibt zwar keine Tsunamis in Deutsch­land, aber auch hier ist davon auszu­gehen, dass sich die Menschen in ihrer Nach­bar­schaft in einer Notsi­tua­tion eher helfen, wenn eine starke Bindung vorhanden ist. In Anbe­tracht der Lage — mit stei­gender Anony­mi­sie­rung, wach­sender Anzahl von Single-Haus­halten und Einsam­keit, darf aber ange­zwei­felt werden, ob das flächen­de­ckend in Deutsch­land zutrifft. Und gene­rell: Vom Gefühl her geht die Zivil­cou­rage im Alltag auch immer mehr flöten — leider. Zeit also, dass wir Menschen uns wieder bewusst an unsere gebaute und soziale Umge­bung binden! Beson­ders im Bezug auf die gesell­schaft­li­chen Heraus­for­de­rungen aufgrund der Klima­krise wird ein gemein­schaft­li­ches Handeln immer wichtiger.

 

Quelle

Aldrich, D. P. & Yasuyuki Sawada (2015): The physical and social deter­mi­nants of morta­lity in the 3.11 tsunami. Social Science & Medi­cine 124: 66–75 <https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0277953614007485?via%3Dihub> (Zugriff: 24.03.2018)

 

 

 

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