“Das Leben ist entweder ein wagemutiges Abenteuer oder Nichts.” — Helen Keller
Der deutsche Fußballspieler Thomas Broich ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Umgebung die persönliche Entwicklung beeinflusst. Einst wurde Thomas Broich neben bekannten Namen wie Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski und Phillip Lahm als Hoffnungsträger für die Fußball WM 2006 gehandelt.
In der Bundesliga sorgte er für Furore und viele sagten ihm eine glorreiche Zukunft voraus. Doch anstatt in der Bundesliga zu einer festen Größe zu wachsen und ein “Star” zu werden entschied er sich in die wenig bekannte australische Liga zu wechseln.
In diesem Artikel blicken wir ganz tief in die Seele eines der inspirierensten Fußballers aller Zeiten, wir sehen das Tor der Vereinsgeschichte von Brisbane Roar und wir sprechen über Mozart und Christoph Daum. Kurz: Eine bunte Mischung, die in einer für dich sehr interessanten Erkenntnis endet.
Warnung: Der Weg nach Australien ist lang. Dieser Artikel ist noch länger. Aber wie sagt man so schön?: “Der Weg ist das Ziel…”
Eine ungewöhnliche Karriere
Nach seinen ersten Einsätzen in der Bundesliga bekam Thomas Broich bald den Spitznamen “Mozart der Bundesliga” verpasst. Grund dafür waren seine Spielweise, seine intellektuelle Art abseits des Platzes und sein Musikgeschmack. So mancher nannte ihn gar einen Fußball-Intellektuellen.
Am Anfang fühlte er sich geschmeichelt aber bald merkte er, dass ihm das raue Profigeschäft die Authentizität raubte. Nach einigen Stationen in der Bundesliga verlor der Rechtsfuß den Spaß am Fußball.
Was war der Grund? Der Medien-Druck in der Bundesliga war ihm zu groß und nicht jeder seiner Trainer schätzte seine freigeistige erfrischende Spielweise. Spätestens als er beim 1. FC Nürnberg aussortiert wurde begann er dem Ruf des Abenteuers zu folgen und sich nach Alternativen zur Bundesliga umzuschauen. 2010 wechselte er in die erste australische Liga zu Brisbane Roar — Eine Liga ohne Star-Getue und übermäßiger Medienpräsenz.
Eine Entscheidung die prompt belohnt wird
Für Thomas Broich war es wichtiger persönlich glücklich zu sein, als berühmt oder mit internationalen Titeln bestückt zu sein. In Australien konnte er plötzlich wieder er Selbst sein. Innerhalb kürzester Zeit war er ligaweit bekannt. Fußballerisch tat er sich in der neuen Liga mit glänzenden Leistungen so hervor, dass er 2014 zum Spieler des Jahrzehnts gewählt wurde. Außerdem wurde sein Geniestreich gegen die Central Coast Mariners laut ZDF-Sport zum Tor der Vereinsgeschichte von Brisbane Roar gewählt.
Eine Geschichte fast wie im Film. Moment! Es wurde tatsächlich ein Film über Thomas Broich gedreht! Der Name des Films lautet “Tom meets Zizou”.
Aus dem Trailer des Films stammt übrigens das folgende Video, welches das besagte Tor der Vereinsgeschichte zeigt.
Die Macht der Umgebung
Australien tat ihm sichtlich gut. Er hatte nicht seinen Beruf gewechselt, um glücklich zu sein. Nein, er hatte “nur” seine Umgebung gewechselt. In der deutschen Bundesliga wäre er höchstwahrscheinlich persönlich nicht so erfolgreich geworden. In Brisbane hingegen wurden seine Fähigkeiten wertgeschätzt und der Linksaußen bekam viele Freiheiten von seinem Trainer. Genau das richtige für einen Freigeist wie Thomas Broich.
Insgesamt wurde er mit Brisbane dreimal Meister. Außerdem wurde er zweimal zum besten Spieler der Saison gewählt.
Das Ende einer überragenden Zeit
Das letzte Spiel von Thomas Broich am 30.04.2017 sah ich live im Stadion in Melbourne. Bis zu seiner Einwechslung in der 68. Minute fieberte er emotional am Spielfeldrand mit. Kurz darauf fiel das 1:0 für Melbourne. Auch wenn seine Mannschaft das Spiel in der Folge nicht mehr drehen konnte, war zu sehen, dass er bis zuletzt mit höchster Professionalität und Siegeswillen aktiv war. Das war nur möglich, weil er sich in seiner Mannschaft wohlfühlte.
Brisbane verlor das Spiel und einen großen Spieler. Thomas Broich beendete sein Engagement bei Brisbane Roar und somit endete das erfolgreichste Kapitel seines Lebens.
Thomas Broich kurz vor seiner letzten Einwechslung für Brisbane Roar
In einem Skype-Interview mit der ARD erklärte der bodenständige Fußballer, dass er gerne trotz seines hohen Fussballeralters weiter spielen wollen würde.
Wenn er eines Tages die Fussballschuhe an den Nagel hängt könnte ich mir vorstellen, dass er seine Erfahrungen weitergeben wird. Beispielsweise an junge Spieler in Form eines Spielerberaters oder Trainers.
Denn Menschen die so für ihre Werte einstehen und das beste aus ihrem Potential machen braucht unsere Gesellschaft heutzutage so dringend wie selten zuvor. Sollte Thomas Broich eines Tages in welcher Funktion auch immer nach Deutschland zurückkehren wäre seine Heldenreise vollständig.
Edit: Mittlerweile ist es offiziell, dass Thomas Broich in Zukunft Trainer beim Brisbane City FC sein wird. Er bleibt also seiner Wahlheimat Brisbane treu.
Ein moderner Held
Anstatt damals in der Bundesliga zu versauern und gute Miene zum bösen Spiel zu machen hat Thomas Broich einen Neuanfang riskiert. Es gibt nicht viele Menschen, die heutzutage ihr Leben so in die Hand nehmen. Er aber hat sich seiner Unzufriedenheit gestellt und hat mit viel Mut sein Glück gefunden. Deshalb kann man ihn zurecht als Held bezeichnen. So sieht es übrigens auch einer seiner ehemaligen Trainer.
“Er ist schon ein tragischer Held” — Michael Oenning
Die Persönlichkeit von Thomas Broich — Ein Blick hinter die Kulissen
Man darf mit Verlaub sagen, dass Thomas Broich eine faszinierende Persönlichkeit ist beziehungsweise hat. Auch wenn der gebürtige Bayer nicht gerne im Rampenlicht steht lohnt es sich alle Augen auf ihn zu richten und einen genaueren Blick auf ihn als Menschen zu werfen.
Um selber einen ersten Eindruck in die Persönlichkeit von Thomas Broich zu erlangen kannst Du dir hier ein Interview mit dem ZDF anschauen.
Wie er sich selber sieht
Im dem Interview beschreibt er sich mit folgenden Worten:
“Ich war immer ein relativ sensibles Gemüt.”
Liest man zwischen den Zeilen versteht man, dass Thomas Broich nicht gerne Druck und Kritik ausgesetzt ist. Das zeigen Sätze wie
“Ich habe mir dann viele Dinge auch sehr, sehr zu Herzen genommen.”
und
“Zidane ist auch kein großer Zweikämpfer nach hinten hin. Das braucht mir keiner erzählen.”
Negative Umgebung und ihre Folgen
Als er noch in der Bundesliga spielte wirkte sich seine Umgebung so negativ auf ihn aus, dass er sehr unzufrieden war. Das zeigt folgendes Filmzitat:
“Guck dich hier um. Die Bude. Die sieht aus als wär ich gestern eingezogen, in einer Stadt in der ich nicht leben will und in der Situation in der ich nicht stecken will.”
Die Umgebung machte ihn sogar zu einem schlechten Menschen:
“[…] hab dann auch Sachen gemacht, auf die ich heute bei Leibe nicht stolz bin. […]überhaupt nicht mehr professionell gelebt und irgendsoeine…ja… leck mich am A‑Mentalität an den Tag gelegt.”
Heldenhafter Mut geboren aus Schmerz
Um diesen Negativtrend zu stoppen war die einzige Lösung ein Neuanfang in einer neuen Umgebung. Auf die Frage warum seine Wahl auf Australien fiel antwortete er im ZDF-Interview:
“Es war maximal weit weg.”
Die Zuschauer und der Moderator fassen den Spruch als Spaß auf und dementsprechend wird auch gelacht. Auch Thomas Broich lacht schließlich mit. Aber ich bin mir sicher, dass er den Spruch ernst meint. Der Schmerz über das Nicht-verstanden-werden in der Bundesliga war so groß, dass er so weit weg wollte wie möglich. Das wird im folgenden auch deutlich:
“[…] ich war so frustriert durch die ganze Bundesliga-Misere, dass ich einfach jede Menge Abstand zwischen mich und meine Vergangenheit und die Bundesliga bringen musste.”
Eine so deutliche Wortwahl wendet ein fühlender und sensibler Mensch nur an, wenn er es äußerst ernst meint.
Sehnsucht und Sinn
In Australien konnte er wieder er Selbst sein. Das Land beschrieb er mit den Worten:
“Ich hab da vor ein paar Jahren mal Urlaub gemacht und mich in das Land verliebt und hatte immer den Plan da mal zurückzukehren…als Fußballer auch.”
Die Idee nach Australien auszuwandern keimte also schon länger in den Gedanken des Thomas Broich. Den Mut diesen Schritt zu gehen fasste er dann in seiner dunkelsten Stunde — Als er in Nürnberg aussortiert wurde. Dieser Mut sagt einiges über den Fußballer aus. Die Tatsache zeigt nämlich, dass ihm seine eigenen Werte wichtiger sind, als die Meinung der Öffentlichkeit und der vermeintliche Ruhm der Bundesliga-Stars.
Persönliches Glück hat für ihn einen höheren Stellenwert als Luxus oder internationale Titel. Er wird von Idealismus angetrieben anstatt von Materialismus. Man muss es formulieren wie es ist: Er hat es geschafft seinen inneren Frieden den äußeren Verlockungen voranzustellen. Das zeugt von einem starken Charakter. Er strebt nach mehr als nur Geld oder Bekanntheit. Thomas Broich ist ein Mensch der im Leben nach Sinn sucht. Des Weiteren ist Bescheidenheit für ihn wichtig.
“Ich hätte es ganz gern gehabt, dass man […] bescheidenere Ziele an den Tag legt.”
Positive Umgebung und ihre Folgen
In Brisbane musste er nicht fürchten unfair kritisiert zu werden. Hier wurde er wertgeschätzt. Hier wurde er mit all seinen Stärken und Schwächen akzeptiert und er musste sich nicht verstellen. Hier konnte er sich lebendig fühlen. Sein Trainer schien ebenfalls ein fühlender, fast schon spiritueller Mensch zu sein. Ein übersetztes Zitat von ihm lautet:
“Womöglich stimmte einfach die Konstellation im Universum. Der Club und er trafen zum richtigen Zeitpunkt aufeinander. Um zusammen etwas Besonderes zu schaffen.”
Außerdem scheint Thomas Broich ein Träumer mit starker Vorstellungskraft und Kreativität zu sein. Der Begriff “Träumer” ist übrigens keinesfalls abwertend gemeint. Und ehrlich gesagt ist es schade, dass man das extra erwähnen muss. Das Zitat von seinem ehemaligen Trainer Michael Oenning lässt jedenfalls erahnen, dass Thomas Broich sich gerne in seine Gedanken zurückzieht:
“Es gibt aber auch Situationen, wo ich dann sage ´Naja, jetzt musst du mal kein Buch lesen.´ Er liest aber trotzdem.”
Auch das oben gezeigte Tor der Vereinsgeschichte von Brisbane Roar macht deutlich mit welcher Vorstellungskraft Thomas Broich gesegnet ist. Denn ganz ehrlich: Welcher Spieler zielt und schießt aus dieser Position über den Torwart ins Tor? Auf diese Idee kommt man nur, wenn man eine ausgezeichnete intuitive Vorstellungskraft hat. Von so einem Tor träumt man normalerweise nur.
Sein reichhaltiges Innenleben muss natürlich stimuliert werden. Deswegen braucht er eine Umgebung, die interessant ist und Abwechselung bietet. Das bietet eine Millionenstadt wie Brisbane selbstverständlich. Die Stadt wird nicht umsonst als “Australia´s new World City” betitelt. Trotz der Größe ist die Stadt im Vergleich zu anderen Millionenstädten aber recht entspannt. Auch das kommt Thomas Broich entgegen. Das wird in einem anderen Interview mit einem australischen Reporter deutlich. “It´s a bit more laid-back here”. Übersetzt ins Deutsche lautet das Zitat:
“Es ist ein bisschen lockerer hier.”
Im selben Interview erkennt Thomas Broich auch, dass sein Erfolg nur durch die neue Umgebung möglich war. “That´s just an environment where I can bring out the best of me or maybe this environment brings out the best of me”. Übersetzung:
“Es ist einfach eine Umgebung, wo ich das beste aus mir herausholen kann oder vielleicht bringt die Umgebung das beste aus mir heraus.”
Brisbane: Thomas Broichs´ Heimat für 7 Jahre
Starke Werte
Thomas Broich ist personenorientiert. So kritisiert er beispielsweise das dürftige Verhältnis zu seinem Trainer Christoph Daum zu Kölner Zeiten.
“Er geht halt irgenwo auf Distanz.”
und
“Es gibt im Prinzip kein Verhältnis”.
Insofern passt Australien sehr gut zu ihm. Denn die Australier sind stets freundlich, kumpelhaft und herzlich und helfen sich gegenseitig — was in einer von Wildnis geprägten Umwelt auch absolut notwendig ist. Des Weiteren wirkt der Mittelfeldspieler sehr unabhängig und neigt dazu, sich von anderen abzugrenzen. Nicht nur die Tatsache, dass er sein ganzes Leben hinter sich lässt und nach Australien zieht — nein, auch die Filmausschnitte verraten das:
“So Dinge wie Freiheit, oder Identität, Moral…das hat Tiefgang das ganze”.
Sich in Australien frei zu fühlen dürfte ihm nicht schwer fallen — angesichts der schier endlosen Weite der Wildnis.
Was kannst Du aus dieser Geschichte lernen?
Jetzt wirst Du möglicherweise sagen. “Moment, das ist ein stinkreicher Fußballprofi. Dem stehen im Gegensatz zu mir alle Möglichkeiten offen.” Klar ist es als Fußballprofi nicht allzu schwer überall auf der Welt einen Arbeitsplatz zu finden.
Es soll hier aber nicht darum gehen, dass du dich mit Thomas Broich vergleichst. Lasse dich vielmehr von der Bedeutung seiner Geschichte inspirieren. Die Geschichte zeigt nämlich, was man braucht um eine passende Umgebung zu finden: Mut, Vertrauen, Authentizität und ein bisschen Bauchgefühl.
Es ist auch nicht arrogant oder egoistisch seinem Glück auf die Sprünge zu helfen. Im Gegenteil. Thomas Broich hat in Brisbane durch seine Entscheidung eine Menge Fußballfans begeistert und glücklich gemacht.
Zum einen durfte ich das mehrmals im Stadion selbst miterleben und zum anderen zeigt sich das auch nicht zuletzt an den australischen Youtube-Kommentaren — sogar unter deutschsprachigen Videos. Hier mal ein paar Beispiele:
“Don´t understand a word [,] but love Thomas. The best that Brisbane and Australian Football has ever seen. Ever. […]” — Youtube-Nutzer names cocolocooz
“Known as Mozart in Germany, dubbed the Architect in Australia. Brisbane still can´t believe their luck!” — Youtube-Nutzer namens Jack McComiskie
“Brisbane loves you Thomas! You are the best! Danke” — Youtube-Nutzer namens ausderek 44
“An absolute legend here in Australia. I Thank Germany for this wonderful player who really shines in the A‑League. Pure Class.” — Youtube-Nutzer namens Poodz
Lange Rede, kurzer Sinn
Wenn Du also dein Potential in der für dich idealen Umgebung abrufen kannst, dann wirst Du unweigerlich erfolgreich sein.
Zugegeben: Dieser Artikel ist wirklich sehr lang geworden. Aber seien wir ehrlich: Nur so wird man der einzigartigen, tiefgründigen Geschichte Thomas Broichs´ gerecht. Wie jede gute Geschichte muss auch diese hier mit einem Happy End die Bühne verlassen. Das Schlusswort hat der Held der Geschichte:
“Wenn ich mir ein Leben ausmalen könnte, könnte es durchaus auch dieses sein.” — Thomas Broich
Nun zu Dir: Wie malst Du dir dein Leben aus? Nach welchem Ort hast du Sehnsucht? Welcher Ort könnte zu deiner Persönlichkeit passen?