Was bedeutet Introversion?

Quiet people have the loudest minds”Stephen Hawking

Die Idee, Menschen auf einer Skala von sehr intro­ver­tiert bis sehr extro­ver­tiert (die rich­tige Schreib­weise lautet eigent­lich “extra­ver­tiert”) zu unter­scheiden stammt von dem Schweizer Psych­iater Carl Gustav Jung.

Intro­ver­sion (auch Intro­ver­tiert­heit genannt) bedeutet demnach eine nach innen orien­tierte Aufmerk­sam­keit und Energie. Intro­ver­tierte sind durch soziale Inter­ak­tion schnell über­sti­mu­liert. Sie wirken deswegen oft ruhig und zurück­hal­tend und ziehen sich gerne zurück. Nicht, weil sie nicht an Menschen inter­es­siert sind, sondern weil sie mehr Infor­ma­tionen als Extro­ver­tierte aufnehmen und deswegen schnell über­sti­mu­liert sind.

Extra­ver­sion bedeutet eine nach außen orien­tierte Aufmerk­sam­keit und Energie. Extro­ver­tierte gewinnen durch soziale Inter­ak­tion Energie. Sie wirken aufge­schlossen und gesprächig.

Die Land­karte der Intro­ver­tierten (Quelle: Gemma Correll)

 

Stille Wasser sind tief

Intro­ver­sion ist genauso wie Extra­ver­sion ange­boren und kann durch Erzie­hung oder durch Umwelt­ein­flüsse nur wenig beein­flusst werden. Es gibt aber auch keinen Grund etwas zu ändern. Denn: Es ist wichtig, zu verstehen, dass in der Unter­schei­dung zwischen Intro­ver­sion und Extra­ver­sion keine Wertung enthalten ist. Man kann also nicht sagen, dass es besser ist eher intro­ver­tiert als extro­ver­tiert zu sein oder anders­herum. (Quelle: Online Lexikon für Psycho­logie und Pädagogik, 2018)

Vom Gefühl ist es aber eben schon so, dass das Wort “extro­ver­tiert” in unserer Gesell­schaft besser konno­tiert ist als das Wort “intro­ver­tiert”. Ich erin­nere mich noch an eine Situa­tion in meiner Kind­heit wo in meiner Familie negativ über intro­ver­tierte Menschen geredet wurde. Und das obwohl der Groß­teil meiner Familie per Defi­ni­tion ganz klar auf der intro­ver­tierten Seite der Skala ange­sie­delt ist.

Es scheint, dass das Wissen was Intro­ver­sion über­haupt bedeutet in der Gesell­schaft kaum verbreitet ist. Intro­ver­tiert heißt nicht anti­so­zial. Im Gegen­teil: Intro­ver­tierte verfügen oft über gran­diose Empa­thie, Menschen­kenntnis und Sorg­falt. Schüch­tern­heit hat übri­gens auch nichts direkt mit Intro­ver­sion zutun (auch wenn es damit häufig einher geht). Die folgende Google-Such­maske zeigt eindrucks­voll wie viel Halb­wissen in der Bevöl­ke­rung zum Thema Intro­ver­tiert­heit besteht.

Allge­meine Unwis­sen­heit (Quelle: Screen­shot von Google)

 

Reden ist Silber, schweigen ist Gold

Beispiele für berühmte Intro­ver­tierte sind übri­gens: Mark Zucker­berg, Johnny Depp, J. K. Rowling, Bill Gates, Emma Watson, Albert Einstein, Tim Berg­ling (Avicii) und viele weitere.

Wenn du etwas anderes bist als ein extro­ver­tierter Mensch, dann wirst du dazu gebracht zu denken, dass etwas mit dir nicht stimmt. Das fasst mein ganzes Leben zusammen. Das zu verstehen hat mich sehr gestärkt, weil ich immer dachte: Oh mein Gott etwas stimmt mit mir nicht, weil ich abends nicht weggehen will und all das mache was meine Freunde machen wollen.” — Emma Watson

Leider werden Intro­ver­tierte kaum unter­stützt oder geför­dert. In der Schule werden die Schüler zu zwangs­dy­na­mi­schen Grup­pen­ar­beiten verdon­nert. In der Arbeits­welt werden die Arbeit­nehmer in Groß­raum­büros gesta­pelt. Wer am lautesten schreit oder sich in den Mittel­punkt stellt scheint die Nase vorn zu haben. Dabei heißt es doch eigent­lich: “Reden ist Silber, schweigen ist Gold.”

Ich habe als Schüler Grup­pen­ar­beit immer gehasst. Klar kann ich in einer Gruppe arbeiten aber dabei bleibt einiges von meinem Poten­tial auf der Strecke. Und das frus­triert über die Jahre extrem und wird zur Norma­lität. Man passt sich der Umge­bung an aber verliert seine Indi­vi­dua­lität und verschenkt seine Talente. Schnell entsteht dann der Eindruck, dass man sich ändern muss. Und das ist erstens nicht notwendig und zwei­tens auch schäd­lich. Einem Intro­ver­tierten zu sagen, dass er sich mehr öffnen muss ist genau so respektlos wie einem Extro­ver­tierten den Mund zu verbieten.

Einen inter­es­santen (engli­schen) Artikel darüber wie sich das Schul­system besser auf Intro­ver­tierte einstellen könnte findest du hier. Ich frage mich sowieso: Warum wird Psycho­logie eigent­lich noch nicht flächen­de­ckend als Schul­fach ange­boten? Ich hoffe das ändert sich in Zukunft…

Und einen sehr inspi­rie­renden TEDx Talk über das Thema Intro­ver­sion von Susan Cain — der Autorin des Best­sel­lers “Quiet: The Power of Intro­verts in a World that can’t stop talking” kannst du dir hier anschauen.

 

 

Ausblick

Es ist drin­gend notwendig, dass das Thema Intro­ver­sion in der Gesell­schaft richtig verstanden wird. Wenn ein Drittel bis die Hälfte der Bevöl­ke­rung (es wird gesagt, dass so viele intro­ver­tiert sind) sich verbiegen müssen, um dem Durch­schnitt zu entspre­chen kann das nicht von Vorteil sein. Denn dadurch bleiben viele Talente unent­deckt. Warum sollte man das Leben eines anderen leben? Man hat nur eins.

In diesem Sinne: Intro­ver­tierte vereint euch — am besten jeder separat zuhause!

 

Quelle

Online Lexikon für Psycho­logie und Pädagogik (2018): Intro­ver­tiert­heit — Intro­ver­sion <http://lexikon.stangl.eu/1924/introvertiertheit-introversion/> (Zugriff: 27.02.2018)

 

 

 

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3 Gedanken zu „Was bedeutet Introversion?

  1. Hi, das ist ja inter­es­sant — ich bin defi­nitiv intro­ver­tiert, habe mich aber nie so gesehen, weil ich den Begriff tatsäch­lich eher negativ empfinde. Und hab mir selbst andere Erklä­rungen für mein Verhalten gesucht…
    Danke Euch, jetzt versteh ich mich selbst besser 🙂

  2. Hi Damaris,
    freut uns! Ja es geht in der Tat Vielen so, dass sie den Begriff Intro­ver­sion negativ empfinden. Wir hoffen aber, dass Intro­ver­sion in Zukunft positiv gesehen wird! 🙂

  3. Empfeh­lung Buch-Neuerschei­nung: „Ausge­setzt zur Exis­tenz“; Franz Sternbald

    Nicht einmal Ich Selbst fasse das Ganze Meines Seins!“, bekannte der Kirchen­vater Augus­tinus. Kann ich mir meiner selbst somit nicht mit letzter Gewiß­heit gewärtig sein, so ist mögli­cher­weise der Eindruck gar einer Viel­heit von Ichs in der Welt (und einer in sich geschlossen wahr­ge­nom­menen Einheit meines eigenen Ichs) auch nur eine Täuschung in der Befan­gen­heit der Subjek­ti­vität unserer Anschauung.
    In der vedi­schen Philo­so­phie wird, nicht voll­kommen abwegig, gerade die Ausschließ­lich­keit prin­zi­piell sogar nur eines einzigen Ichs für die Gesamt­heit des bewußten Seins behauptet. Es würde sich demgemäß also um ein abso­lutes Subjekt handeln, das durch seine irisie­renden Fluk­tua­tionen den Eindruck einer Mannig­fal­tig­keit von Ichs erst erzeuge.
    Diese Annahme stünde damit in einer gewissen Analogie zu ‚Whee­lers Elek­tron’, von dem gleich­falls behauptet wird, das einzige Elemen­tar­teil­chen im Kosmos zu sein, und ledig­lich durch das Wellen­feld seiner Schwin­gungs­zu­stände die Materie jeweils an den Knoten­stellen maxi­maler Wahr­schein­lich­keiten seines Aufent­haltes aufweise, und somit den Eindruck einer Mannig­fal­tig­keit erst erzeugen würde. Dem müßte jedoch ein morphi­sches Konzept zugrunde gelegt sein, derge­stalt, daß jede Infor­ma­tion stets auch zu jeder Zeit und an jedem Ort präsent und abrufbar sei. Somit ließe sich auch die Korre­spon­denz von verschränkten Elemen­tar­teil­chen in Zustand und Verhalten auch auf größere Distanz zuein­ander erklären.
    Diese Auffas­sung gründet bereits in der Natur-Philo­so­phie der grie­chi­schen Vorso­kra­tiker. Parmen­ides behauptet gleich­falls die Exis­tenz nur eines einzigen unge­teilten und unbe­wegten Seins, und jede Wahr­neh­mung einer Teil­bar­keit und Mobi­lität würde in sich selbst erklärt letzt­lich sogar zu inneren Wider­sprü­chen führen ..

    Aufrichtig gespro­chen, „Ich“ war niemals frei zu handeln,
    viel­mehr handelte es sich .. in einer Gitterbox kausaler Bestimmtheiten.
    Wir können garnicht tun, sondern wir ereignen uns.
    Notwendig ist künftig eine prak­ti­sche Exis­tenz­phi­lo­so­phie zur Recht­fer­ti­gung des Subjekt­haften gegen die Zudring­lich­keit der Verobjektivierung.
    Sind wir zwar nicht eigent­lich frei zu handeln, liegt unsere eigen­tüm­liche Frei­heit dennoch auf dem Grund unseres Seins. Mögli­cher­weise haben wir uns demnach den Käfig der kate­go­ri­schen Gesetzt­heit selbst geflochten. Frei­heit wurde auf dem Weg vom Sein in die Exis­tenz zur Bestimmt­heit. Allein im Bewußt-Sein ist somit die funk­tio­nale Verbin­dung von Frei­heit und Bestim­mung zu suchen.

    Mit dem Buch „Ausge­setzt zur Exis­tenz“ fordert der Autor Franz Stern­bald Sie auf: Holen Sie sich ihr ihre souvernäne Urteils­fä­hig­keit zurück; Werden Sie sich dessen gewahr
    Wer Ihr Ich eigent­lich ist!
    „ Was soll nicht alles meine Sache sein .….,nur die meinige soll nicht meine Sache sein?! “ 

    Ich zu sein, vermag nur Ich selbst

    aber …

    Wer ist eigent­lich ICH?
    Zu welchem Zweck behaupten wir ein subjek­tives Ego, und worin besteht ein objektiv legi­ti­mie­render Sinn für die Forde­rung nach Aner­ken­nung eines
    unbe­zähm­baren Geistes der unein­ge­schränkten Subjek­ti­vität {J.J. Rous­seau, Bekenntnisse}

    Zu welchem Ziel strebt letzt­lich die Entwick­lung der Selbst­be­wußt­wer­dung alles Lebendigen?
    In welchem über­ra­gend wider­spruchs­vollen Verhältnis steht das abso­lute Selbst zur Endlich­keit seines indi­vi­du­ellen Daseins?
    Kier­ke­gaard verstehen .. : ” Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das am Verhältnis, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält ”
    Mit diesem Buch wird ein Deutungs­ver­such unter­nommen für das Ego als einem Ding, oszil­lie­rend zwischen Dualität und Pola­rität, von Iden­tität und Alie­na­tion, von Eigen­tüm­lich­keit und Entfremdung,
    auf dem Weg von Mir zu Dir

    Von nun an wird Ich nicht mehr gezählt, sondern gewogen

    *

    Franz Stern­bald
    „ Ausge­setzt zur Exis­tenz “ – warum der Mensch ein Schicksal ist
    — vom Ausgang aus der unver­schul­deten Absurdität –
    Verlag BoD; D‑Norderstedt

    ***

    Indem es es selbst sein will,
    gründet das Selbst in der Macht, die es gesetzt hat“
    {Sören Kierkegaard}

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