Eigentlich wollte ich heute nach stundenlanger Bloggerei einfach mal ganz entspannt die heute-show gucken. Nachdem ich aber den oben gezeigten Ausschnitt gesehen hatte konnte ich nicht anders als diesen Artikel hier zu schreiben. Normalerweise beginne ich jeden Artikel mit einem inspirierenden Zitat. Heute aber gibt es direkt auf die Fresse. Gernot Hassknecht wäre sicher stolz auf mich.
Worum geht’s in diesem Artikel?
Es geht um eine Bremse, die nicht bremst, um Tante Lebensqualität, um Otto und um Ellenbogenfische. Aber der Reihe nach.
Zunächst mal das positive: Ich finde es gut, dass das Bewusstsein für das Thema Wohnungsnot in die Öffentlichkeit kommt. Ich bin froh, dass die heute-show über das Thema berichtet. Und…
Jap das war das positive. Jetzt kommt das bittere.
Gentrifizierung in der heute-show
Das oben gezeigte Video zeigt deutlich wie das Gespenst der Gentrifizierung in Deutschland sein Unwesen treibt: Innenstadtnahe Stadtviertel werden systematisch aufgewertet, Mieten erhöht und Menschen verdrängt. Sicher kann man in Klein- und Mittelstädten nicht von Gentrifizierung sprechen aber im Endeffekt ist es nicht wichtig wie genau das Gespenst heißt. Fakt ist: Es verbreitet Angst und fordert Opfer.
Fundierte Informationen rund um das Thema Gentrifizierung findest Du übrigens auf dem Gentrification Blog von Andrej Holm.
Während 2016 in Deutschland noch 860.000 Menschen obdachlos waren (ca die Hälfte sind wohnungslose Flüchtlinge) wird für 2018 ein Anstieg auf 1,2 Millionen (!) Menschen erwartet (Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe). Man darf allerdings nicht den Fehler machen die Zuwanderung als alleinige Ursache zu sehen.
Und es sind auch nicht nur die größten Städte Deutschlands betroffen. So meldet Augsburg beispielsweise eine Verdopplung der Obdachlosenzahl. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum macht sich dramatisch bemerkbar.
Wer treibt den ganzen Mechanismus an?
Es folgt ein fiktives Gespräch:
“Wer sind die Gesichter hinter der ganzen Problematik?”
“Ja…so Leute wie die die Monika Gruber parodiert”.
“Ja und wer noch?”
“Ja diese Immobilien-Leute da.”
“Geht’s etwas genauer?”
…
Ja: Unsympathen wie der folgende junge Herr hier. Nennen wir ihn Otto. Der Name Otto klingt ein bisschen nach jemandem der unbedarft und dumm ist. Das passt! (Sorry an alle Ottos da draußen die jetzt erbost sind. Ja, Du hast Recht, eigentlich hätte ich Kevin als Namen wählen sollen, aber sind wir ehrlich: Kevins leiden so schon genug)
Schauen wir uns an was Otto zu sagen hat. Er “hilft” nämlich Leuten Immobilien zu finden.
Isch möschte auch ganz ehrlisch mit dir sein
Tu dir einen Gefallen und schau nicht das ganze Video. Es sei denn du willst unbedingt das Gefühl haben dich dringend duschen zu müssen. Es reicht so weit zu schauen bis dir klar wird, dass Ottos Höbby-Reschersche-Bauecke anstatt “Immobilien mit Kopf” eher “Immobilien ohne Herz” heißen sollte.
Wäre Otto mal lieber Detektiv geworden! Dann könnte er jetzt im Osten der Republik nach Tante Lebensqualität suchen. Die ist nämlich verschwunden.
Ab Minute 8:16 spricht Ossi-Otto ganz direkt davon, die Mietspanne der Wohnung
“entsprechend durch Aufwertung oder Mieterhöhung”
zu erhöhen. Besonders frustrierend finde ich außerdem, dass er dazu aufruft Bachelorarbeiten im Internet zu suchen, um an Informationen über vielversprechende Immobilien zu gelangen. Eine Bachelorarbeit ist nicht dafür da um so einen Unfug zu treiben.
Nostalgischer Rückblick: Ich habe mit meiner Bachelorarbeit damals viele schöne Stunden verbracht. Wir hatten eine gute Zeit bevor ich sie auf ihrer pdf-Scholle in die weite Onlinewelt gelassen habe. Sich vor fiesen Immobilienhaien und Baulöwen zu verstecken habe ich ihr aber leider nie beigebracht… Möglicherweise ein Fehler?
Natürlich ist Otto nicht allein für die Wohnungsnot in Deutschland verantwortlich. Menschen wie dieser Kleinkarierte stehen aber symbolisch für die Kurzsichtigkeit, Unwissenheit und Ignoranz, die das Problem der Wohnungsnot extrem verstärken.
Unreifes Verhalten
Ich kann es absolut verstehen, dass man “leichtes” Geld machen will. Aber wenn es auf Kosten anderer geht hört der Spaß auf. Sich hinter Aussagen wie “Das ist einfach der Mechanismus des Marktes” zu verstecken ist einfach nur feige. Wie gesagt: Menschen wie Otto sind es, die die Problematik des Wohnungsmangels in Deutschland befeuern. Sicherlich gibt es Immobilienmakler und Vermieter, die sich nach Ethik richten.
Aber in einem Haifischbecken wie der Immobilienbranche fängt selbst ein Regenbogenfisch irgendwann an die Ellenbogen beziehungsweise Ellen-Flossen auszufahren.
Dann wird der Regenbogenfisch zum Ellebogenfisch.
Alle in der Branche Involvierten sind selbst für ihr Verhalten verantwortlich. SIE greifen mit ihren eigenen schmutzigen Händen (oder Flossen?) zum Telefon und rufen die Sanierungsfirmen an. Nicht “der Markt” tätigt den Anruf.
Sich an der Not der Mieter zu berauschen finde ich jedenfalls einfach nur unerwachsen. Im Kindergarten ist das erlaubt. Da darf man auch mal die Bauklötzchen vom Mitspieler klauen und sich daran erfreuen.
Aber spätestens nach der Schule sollte einem bewusst sein, dass man nur guten Gewissens etwas erwirtschaften kann, wenn man selber einen Wert für die Gesellschaft schafft.
Ist das hier der Fall? Schafft der durchschnittliche Vermieter/Immobilienmakler heutzutage in Deutschland einen Wert für die Gesellschaft?
Kann man vermutlich nicht pauschalisieren. Es liegt aber nahe, dass das “Dienen” des eigenen Geldbeutels ganz klar dem Dienen der Gesellschaft vorgezogen wird. Der ein oder andere sollte mal eine Inventur mit seinem gesunden Menschenverstand vornehmen und sich an seine hoffentlich gute Kinderstube zurückerinnern.
So das muss reichen. Ich habe mich genug über die Immobilienbranche ausgekotzt. Was “sagt” Gernot Hassknecht dazu?
Weitere Probleme
Nur auf die Immobilienbranche und die Vermieter einzuhacken wäre zu einfach. Man muss sich auch darüber Gedanken machen, warum es soweit kommen kann ohne dass es Gegenwehr gibt. Man muss den Betroffenen der Wohnungskrise eine Stimme geben. Sie müssen sich selber eine Stimme geben. Und vor allem braucht es Bildung!
Bildung darüber, was denn genau im Mietrecht steht. Und dieses Wissen muss da sein, bevor man mit schlotternden Knien 3 Tage vor Studienbeginn noch nach einem Unterschlupf sucht und dann eine völlig überteuerte Wohnung akzeptiert. Wer ist in Deutschland noch mal für Bildung zuständig? Ach ja! Die Schule! Wie läufts da noch mal? Kann mal jemand die Situation zusammenfassen? Wer meldet sich freiwillig? Na? Ina, wie wärs? Nicht? Dann vielleicht Naina?
Screenshot Twitter
Danke Naina! War doch gar nicht so schwer! Du bist sogar mit weniger als 280 Zeichen ausgekommen!
Zugegeben: Der Tweet ist zwei Jahre alt. Aber er hat mehr Aufmerksamkeit bekommen als so manch zweijähriger Kevin — Oder Otto. Aber lassen wir das. Ähnlich “alt” wie Nainas Tweet ist auch folgendes Thema:
Thema Mietpreisbremse
Was ist das eigentlich für ein Wort? Mietpreisbremse? Hätte man vorgesorgt hätte man erst gar keine Bremse gebraucht. Davon abgesehen ist die Mietpreisbremse vollkommen nutzlos, was dazu führt, dass der ganze Karren im Moment vor die Wand fährt. Aber gut: Hätte, hätte, Bonzenkette.
Dass die Mietpreisbremse den Karren nicht bremsen kann hatte ich jedenfalls bereits vor ein paar Jahren in meiner Bachelorarbeit festgestellt. Wenn selbst ich das feststellen konnte dann hätte das auch die Politik können müssen.
Meine Bachelorarbeit schippert übrigens immer noch auf ihrer pdf-Scholle durch das Internet. Ob sie tatsächlich schon mal Immobilienhaien und Baulöwen begegnet ist weiß ich nicht. Sie redet nicht mit mir — ist aber trotzdem sehr aussagekräftig.
Sicherheit können dem Mieter meiner Meinung nach nur Mietpreisbindungen liefern. Und bitte welche die langfristig laufen. 99 Jahre zum Beispiel. Ja! Warum denn nicht? Das war in der Vergangenheit Gang und Gäbe.
Natürlich fordere ich das nicht für alle Wohnungen. Wir wollen den Ottos der Nation ja nicht ihre Berufung komplett kaputt machen. Aber einen soliden Anteil an Wohnungen sollte man definitiv an den Mietpreis binden. Menschen sehnen sich nach Sicherheit. Warum gibt man ihnen nicht die Sicherheit? Warum spielt man damit?
Wie soll jemand sein Leben auf einem festen Fundament aufbauen, wenn er jeden Tag damit rechnen muss, dass Otto mit seinem Karohemd und seinen fischigen Freunden vorbei kommt um “Reschersche” zu betreiben? Jetzt sagst du zurecht: “Das muss man doch von oben steuern können!?”
Ja…aber…
Was soll man heutzutage von Politikern erwarten, die eng mit der Lobby zusammenarbeiten oder sogar in der Lobby mit drin sind? (Wurde übrigens in der oben eingebauten Folge der heute-show ebenfalls thematisiert)
Ich will mit diesem Thema gar nicht erst anfangen. Politik-Bashing macht sowieso keinen Spaß mehr. Darüber kann man einen eigenen ganzen Artikel, einen ganzen Blog, ein ganzes Buch, oder ein ganzes Drehbuch schreiben. Wird Zeit, dass mal jemand dafür einen Studiengang erfindet, nicht wahr?
Genug gehatet
Wie Du siehst: Die Probleme sind vielseitig. Deutschland braucht Experten. Experten die für ihre Werte einstehen und sich nicht kaufen lassen. Experten die sich zerreißen, um den Leuten da draußen ihre eigenen 4 Wände zu ermöglichen. Echte Idealisten braucht das Land. Leute die für etwas leben was größer ist als sie selbst. Richtige Arbeitstiere eben, die sich nicht ins Haifischbecken begeben.
Neulich habe ich gelesen, dass 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung Idealisten sind. Wo sind die alle? Wo seid IHR alle?
Was sind deine Vorschläge für das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum und der Linderung der Wohnungsnot? Ich bin gespannt! Ich möchte dich ermutigen in den Kommentaren konstruktive Ideen zu präsentieren. Und keine Sorge,… ich werde dich auch nicht als Otto bezeichnen.