„Die Aufgabe der Umgebung ist nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren.“ — Maria Montessori.
Die Wahl des Wohnortes hat immer auch etwas mit der derzeitigen Lebenssituation zutun. Als junger/junge Schulabgänger/in hat man andere Bedürfnisse und Präferenzen als ein(e) Senior/in. Eine dritte, wichtige Phase im Leben ist die Zeit der Elternschaft. Wenn aus zwei Menschen drei oder mehr werden heißt das auch gleichzeitig dass mehr Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen. Das bedeutet, dass auch die Umgebung für alle Drei — Vater, Mutter und Kind — passen muss. Im Alltag hört man allerdings immer wieder von Beispielen wo Eltern im Vorfeld der Elternzeit ihren Blick nicht genug in die Zukunft richten und sich den Bedürfnissen ihrer Kinder nicht ganz bewusst sind.
Kinder haben besondere Anforderungen an ihre Umgebung
Ein zentraler Aspekt bei der Wohnortwahl ist die Nähe zu Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen — denn diese Orte wird das Kind an fast jedem Tag ansteuern. Fußläufige Nähe ist dabei Gold wert.
Als Kind habe ich fast neben meinem Kindergarten gewohnt. Was das für ein Luxus war habe ich allerdings erst gemerkt als ich einige Jahre später zur weiterführenden Schule mehr als 30 Minuten mit dem Bus fahren musste. Auf Dauer super anstrengend.
In Deutschland gibt es derzeit einen Trend der vor allem für Probleme in den Städten sorgt: Immer mehr Eltern bringen ihre Kinder mit dem PKW zur Schule. Laut aktueller Umfrage werden 20 Prozent der Grundschüler mit dem Auto zur Schule kutschiert. Weniger als die Hälfte der Kinder geht zu Fuß. 17 Prozent nehmen den Bus, 10 Prozent das Fahrrad.
Selbstverständlich muss man beachten, dass durch den demographischen Wandel und der damit einhergehenden Schließung von Schulen die Schulwege vor allem auf dem Land länger werden, sodass diese oft nicht mehr zu Fuß oder dem Rad bewältigt werden können. Aber: Busverkehr ist in der Regel vorhanden. Die hohe Anzahl der Kinder, die mit dem Auto gebracht werden ist also vermeidbar. Es ist somit erstrebenswert und absolut notwendig, dass das Nutzen der Autos eingedämmt wird. Denn die Nachteile sind gravierend:
- Die Kinder haben weniger Bewegung
- Durch Überbehütung wird den Kindern die Möglichkeit genommen Verantwortung zu übernehmen und den Umgang als Fahrradfahrer/Fußgänger im Straßenverkehr zu lernen
- Stau, Verkehrschaos und Stress rund um die Schulen
- Erhöhtes Verkehrsaufkommen und höhere Umweltbelastung
- …weitere indirekte Folgen wie schlechte Gesundheit der Kinder und Minderung der Lebensqualität
Viele “Helikopter-Eltern” denken, dass sie ihren Kindern etwas Gutes tun, wenn sie die Kinder zur Schule chauffieren. Aber das Gegenteil ist der Fall. Aus psychologischer Sicht ist das übermäßige Kümmern sehr schädlich. Die Kinder werden aktiv daran gehindert Selbstwirksamkeit zu erfahren und Verantwortung für ihren eigenen Alltag zu übernehmen. Das beeinträchtigt massiv den Weg zum Erwachsen werden. Fehlende Bewegung führt außerdem viel zu oft zu Übergewicht, woraus Minderwertigkeitsgefühle entstehen können. Und außerdem: Das Geld für den Sprit können die Eltern genauso gut auch in ein gesundes Frühstück investieren.
„Helicopter Parents verlängern die Abhängigkeitsphase und fördern nicht die Selbstständigkeit.“ — Andrä Wolter
Fahrrad & Bewegung statt SUV & falsche Sicherheit
Wenn es die derzeit erwachsenen Generationen nicht verstehen, dass wir uns mit dem Kaufen und Fahren von Autos selbst in den Fuß schießen und unseren C02-Abdruck gründlich versauen dann sollten wir zumindest initiieren, dass es die folgenden Generationen besser machen. Jedes Kind das sich heutzutage daran gewöhnt auf vier Rädern durch die Welt zu fahren übernimmt ein zukunfts-unfähiges, gar zukunfts-schädliches Mindset.
Noch nicht überzeugt? Vielleicht hilft dir dieser Lobgesang fürs Fahrradfahren vom Filmemacher Oscar Boyson.
Im Auto zur Schule zu fahren ist übrigens auch nicht sicherer als andere Arten der Fortbewegung zu nutzen. Die Statistik spricht für sich: Die meisten verunglückten Schulkinder saßen im Auto.
Gefördert werden muss das Fahrradfahren und das Zufußgehen — Besonders in den Städten. Denn dort geschehen die Veränderungen. Auf dem Land werden die Entwicklungen viel langsamer ablaufen. Die Abhängigkeit von Autos ist hier größer. Immerhin kann man den Bus benutzen. Auf dem Weg zur Bushaltestelle bewegen sich die Kinder ja schließlich auch. Und Verantwortung — dass sie pünktlich ankommen — müssen sie auch übernehmen. Also immer noch besser als mit dem Auto von Tür zu Tür zu fahren.
Man hat die Wahl
Das Motto muss lauten: Nicht warten, dass die Politik etwas ändert. Selber aktiv werden! Die Kinder sitzen schließlich morgens erst am Frühstückstisch, dann im Autositz, dann auf der Schulbank, dann wieder im Autositz und schließlich am Schreibtisch mit den Hausaufgaben und der Multimedia-Bespaßung. Bewegung? Fehlanzeige. Und das nehmen die Kinder mit in die Jugend und das Erwachsenenalter. Das was früher das Rauchen war ist heute das Sitzen. Einfach nur ungesund.
Auch hier kann wieder die Umgebung eine entscheidende Rolle spielen: Befinden sich im unmittelbaren Umfeld der Wohnung Orte, die interessanter als das heimische Sofa sind dann sind die Chancen hoch, dass das Kind zum spielen nach draußen geht. Auch diese Orte (Spielplätze, Sportplätze, Schwimmbäder, Parks, Bachläufe, Wiesen & Wälder, etc) sollten bei der Wohnortwahl im Vorfeld gezielt mit einbezogen werden.
Alternative zum Fahrzeug: Der Walking Bus
Was sind die Alternativen zum Auto (bzw Bus) fahren? Ein sehr interessantes Projekt ist der sogenannte Pedibus (auch Walking Bus genannt). Dabei bringt kein Fahrzeug die Kinder zur Schule, sondern die Kinder laufen in einer selbstorganisierten Gruppe. Haltestellen samt Haltestellenschildern gibt es auch. Dort können sich weitere Kinder an den Walking Bus anschließen. Funktioniert natürlich nur dort, wo die Schule in fußläufiger Nähe ist. In der Regel sind auch Eltern beim Walking Bus dabei damit sicher gestellt ist, dass die Kinder sicher bei der Schule ankommen.
Vor dem Hintergrund der Förderung der Selbstständigkeit der Kinder ist das sicherlich zu kritisieren. Im Idealfall würden die Kinder selber den Bus organisieren. Und selbst wenn der “Bus” dann auf dem Rückweg mal auf Abwege gerät: Was gibt es schöneres als auf dem Nachhause-Weg durch ein paar Pfützen zu springen? Der Hunger treibt die Kinder schon wieder “an Land”. Hauptsache die Kinder haben ein bisschen Bewegung & Freiheit und gewöhnen sich nicht an das ständige Autofahren.