“Introvertierte mögen starke soziale Fähigkeiten haben und Partys und Geschäftstreffen genießen, aber nach einer Weile wünschen sie sich, sie würden zu Hause in ihren Pyjamas sitzen. Sie ziehen es vor, ihre sozialen Bemühungen engen Freunden, Kollegen und Familien zu widmen. “- Susan Cain.
Vor Kurzem habe ich eine junge Frau kennen gelernt, die in einem Dorf wohnt und als Erzieherin in einer Kita in einer Mittelstadt arbeitet. Voll und ganz glücklich schien sie mit ihrer Umgebung aber nicht zu sein. Als ich sie nach ihren räumlichen Präferenzen für den Wohnort fragte lieferte sie eine sehr authentische, selbstbewusste und offene Antwort. Aber lies selbst:
“Ich glaube, dass der Wohnort auch zu den jeweiligen Lebensumständen passen muss. Mit Anfang 20 bis Mitte/Ende 20 war es für mich ok, in einer WG zu wohnen, ich fand es schön, mitten in der Großstadt zu sein und es nah zu Bus und Bahn zu haben, ich mochte es, dass mich eigentlich niemand kannte. Ich hatte zum Schluss das WG-Leben satt, aber zurück aufs Land zu ziehen bereitete mir auch Bauchschmerzen, war für mich damals finanziell aber die einzige Option. Kurze Zeit später adoptierte ich dann meinen Hund und lernte die Wälder meiner Kindheit neu kennen und die Natur wieder zu schätzen.
Was ich allerdings nach wie vor nicht mag: Dorfleben. Ich lebe gerne etwas abseits vom Schuss, könnte noch wesentlich einsamer leben. Ich bin eher eine Einzelgängerin, ich mag nicht viele Leute und umgebe mich auch nicht mit vielen Leuten, bin nicht so gesellig. Dorfleben mit Festen, Vereinen und immer den gleichen Gesichtern, eher spießig, nur Muttis und Kinder…
So sehr ich hier in meinem Ort viele Leute auch mag — weil ich sie aus der Kita kenne, ihre Kinder betreut habe — es ist nicht MEIN Leben, hier für die Dorfgemeinschaft auf Feiern Kuchen zu verkaufen; zur Feuerwehr zu gehen. Ich mag das ruhigere Leben, die Aussicht in die Natur. Ich mag aber nicht, was mit dörflicher Gemeinschaft zusammenhängt.
Gerne wäre ich noch viel anonymer unterwegs und ich bin meist auch froh, wenn mir beim Gassi gehen niemand begegnet. Ich gehe sogar lieber bei schlechtem Wetter mit dem Hund raus, wenn es kalt ist, wenn es ungemütlich ist, weil man dann weniger Menschen begegnet.
“Die Großstadt gibt mir das Gefühl, mir die Luft zuzuschnüren.”
Teilweise ist man in der Großstadt ja wesentlich anonymer als auf dem Land. Aber…dieses Überfüllte, diese Enge, kleine Wohnungen für viel Geld… Die Großstadt gibt mir das Gefühl, mir die Luft zuzuschnüren. Mehr als ein paar Tage würde ich kein Großstadtleben haben wollen. Ich glaube, zwischen Umfeld/Lebensort und Wohlbefinden steckt wirklich eine große Verbindung. Ich habe das schon gemerkt, wenn ich ein paar Tage in Großstädten wie Frankfurt unterwegs war…HORROR.
Die einzige Großstadt, in der ich ab und an gerne mal bin (in Deutschland), ist Hamburg. Ich glaube, der Grundstein dafür, dass ich Hamburg ganz gern mag, wurde in der Kindheit gelegt. Meine Urgroßtante und ihr Mann lebten in Hamburg, die beiden liebte ich sehr und besuchte sie sehr gerne, sie waren so Ersatz-Großeltern. Nach Hamburg zu kommen und die beiden zu besuchen bedeutete immer ein kleiner Urlaub mit Ausflügen. Später als Jugendliche war ich mal mit der Jahrgangsstufe in Hamburg, bei ‑12 Grad an den Landungsbrücken, wo ich zuvor als Kind bei meinen Verwandtschaftsbesuchen nie war. Und die kalte, eisige Luft, die schönen Lichter, das Wasser.…. da fühlte ich mich wohl.
Anfang November 2017 war ich nach Jahren endlich mal wieder in Hamburg und auch jetzt hatten die Landungsbrücken auf mich wieder eine Anziehungskraft. Der Hafen, die Schiffe… Vielleicht stehen die Schiffe auch ein wenig für die Sehnsucht, das Fernweh, das in mir ja auch durchaus schlummert, auch wenn ich jemand bin, der sehr an seinem Zuhause hängt und seine Wohnung als seine Festung ansieht. Hamburg hat irgendwie was, ich mag auch die nordischen Hansestädte; die alten roten Backsteingebäude.
Müsste ich umziehen, wäre es wohl eher in den Norden.… auf jeden Fall nicht nach Bayern. ^^
Ich kann das mittlerweile so für mich annehmen, dass ich einfach keine gesellige Dorftrulla bin. Ich bin kein Vereinsmensch, ich mag nicht so viele Individuen, ich bleibe lieber nur mit den paar Leuten zusammen, mit denen ich privat irgendwie auch klicke. Ich kann viele Leute, die ich durch meinen Job hier im Dorf kenne, Familien, sehr gut leiden. Trotzdem sehe ich mich nicht bei der Nacht der langen Tische mit ihnen schlemmen.
Nicht, weil ich sie nicht mag und mich nicht mit ihnen unterhalten will, sondern, weil ich mich in so großen Gruppen immer unwohl und gehemmt fühle. Ich bin das einfach nicht.”
- Katharina, 33 (Name geändert)
Zum Abschluss dieses Artikels noch ein Zitat von der amerikanischen Psychologin und Autorin Laurie A. Helgoe:
Dieser Beitrag spricht mir aus der Seele und könnte von mir geschrieben sein — abgesehen davon, dass ich in Bayern lebe… 😉
Ich fühle das zu 100 %. Meine Vision ist ein kleines gemütliches Landhaus, ohne Nachbarn, mit viel Natur.
Das Zitat bringt es ebenfalls voll auf den Punkt!
Finde eure Seite und euren Ansatz sehr frisch und inspirierend!